Elia Contini 03 - Das Verschwinden
er jetzt weiter standhaft blieb und sich keine Blöße gab, war er aus dem Schneider. Savi war sicher, dass auch sonst niemand reden würde – außer denen, die selber bis zum Hals in der Sache drinsteckten, lebte ja keiner mehr.
Wenn ihm nur Ferdi und die anderen ein bisschen Zeit ließen. Er öffnete den Vorhang einen Spalt und spähte in sein Lokal. Das Tukan war nicht mehr das alte: In diesem Sommer war es ständig halb leer, seine besten Mädchen hatte er verloren. Aber er durfte nicht aufgeben, auch wenn ihm das Wasser bis zum Hals stand. Irgendwann würde der Sturm vorüberziehen.
Jeder hat das Bedürfnis, seinem Leben einen Sinn zu geben, auch wenn er es nicht laut sagt. Das Tukan war inzwischen so sehr Teil von ihm geworden, dass er zu jedem Risiko bereit war, um sich wenigstens die Möglichkeit einer Rückkehr in sein altes Leben offen zu halten. Er strebte nicht nach Glück, er wollte nur seine Ruhe. In diesem Moment wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er ohne sein Tukan, ohne seine Aufgabe im Leben, kaum in der Lage wäre, die banalste Alltagsroutine aufrechtzuerhalten. Es blieb ihm also gar nichts anderes übrig, als weiter stark zu bleiben, den Mund zu halten und zu hoffen, dass alles gut ausging. Aber er wollte wenigstens ein Zeichen setzen. Es brauchte ein Statement, das die Lage der Dinge klärte.
Er zog sein Mobiltelefon hervor und löschte alle eingegangenen Kurzmitteilungen. Viele waren es nicht: Savi benutzte das Ding nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Dann tippte er eine neue Nachricht ein.
Ich kann nichts dafür. Ich habe immer versucht, Gewalt zu vermeiden. ER war es, der Mann, der nicht da war, ihr müsst den suchen, der sich versteckt hat. Ich war da, aber ich kann nichts dafür. Luciano Savi.
ABSENDER: Luciano Savi
EMPFÄNGER: Luciano Savi
GESENDET: 25. Aug. 2010, 02:05:51
Vorläufig nannte er lieber keine Namen, sondern begnügte sich damit, die Nachricht an sich selbst zu schicken. Er wollte sie für den Notfall parat haben. Denn wenn er untergehen sollte, dann würde er den wahren Schuldigen auf keinen Fall davonkommen lassen, sondern ihn mit in die Tiefe reißen. Zwei Sekunden später ertönte ein Signal, und auf dem Display stand: KURZMITTEILUNG ERHALTEN. Savi las seine SMS noch einmal durch und speicherte sie im Ordner KURZMITTEILUNGSEINGANG. Einsatzbereit.
Die beiden Männer sagten kein Wort, sondern wichen in verschiedene Richtungen auseinander, bis sie in der Dunkelheit verschwunden waren.
Ein paar Sekunden später bog ein Auto auf den Parkplatz ein und hielt direkt vor Contini. Er blieb liegen, wo er war, benommen und völlig zerschlagen. Niemand hatte etwas mitbekommen, die beiden hatten saubere Arbeit geleistet. Eine perfekte Lektion, ohne Geschrei und ohne großes Blutvergießen.
Die Fensterscheibe wurde heruntergelassen, und eine Stimme fragte: »Wie geht’s?«
Contini hatte ein Pochen in den Schläfen, und im Magen wühlte ein dumpfer Schmerz, während die Schmerzen im Schienbein und im Rücken eher stechend waren; die Ellenbogen und Handflächen brannten. »Geht so«, sagte er.
»Steigen Sie ein.«
Die beiden hinteren Türen öffneten sich lautlos, und heraus kamen, schon wieder, die beiden Schläger. Diesmal hatte Contini Gelegenheit, sie ausgiebiger zu betrachten: Es waren Schmetterling und Pinke Krawatte, beide mit dem liebenswürdigsten Lächeln. Er war zu kaputt, um zu fliehen, und sich zu weigern hätte nichts genutzt: Sie hatten die Oberhand.
»Warum?«, fragte er matt.
»Ich will mit Ihnen reden«, sagte die Stimme.
Sekunden später, eingeklemmt zwischen Pinker Krawatte und Schmetterling, wurde Contini genötigt, seine Anwesenheit im Tukan zu erklären.
»Ich wollte mal einen etwas anderen Abend erleben.«
»Reden Sie doch keinen Blödsinn.«
Der Tonfall war resolut, dabei aber durchaus höflich.
»Sie schnüffeln herum, weil Sie sich aus unerfindlichen Gründen für den Tod von Sonia Rocchi und Peter Mankell interessieren. Bestimmte Elemente haben Sie zu Luciano Savi und zu diesem Lokal geführt. Ich will wissen, worum es sich dabei handelt und ob auch die Polizei Bescheid weiß.«
»Wer sind Sie denn?«, fragte Contini.
»Ferdi ist mein Name. Ich bin ein alter Freund von Savi, Sie können ihn nach mir fragen.«
»Sind Sie derjenige, der ihm die Mädchen besorgt?«
Ferdi gab keine Antwort, sondern zündete sich eine Zigarette an.
»Nun?«, fragte er dann. »Wieso habt ihr’s auf Savi abgesehen?«
»Wissen Sie’s nicht?«, fragte
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