Elina Wiik - 02 - Sing wie ein Vogel
Nachttisch. Er nahm den herausgerissenen Zettel aus der Tasche und wählte eine Nummer.
»Hier steht, dass das Haus abgelegen ist«, sagte er, nachdem sich jemand gemeldet hatte. »Wo liegt es?«
Er hörte sich die Erklärung des Vermieters an.
»Das klingt gut«, sagte er schließlich. »Ich kann bar zahlen. Haben Sie den Schlüssel … Um eins? Geht es vielleicht auch früher? Warten Sie mal.«
Er ließ den Blick durchs Zimmer schweifen und zog dann die Nachttischschublade auf.
»Jetzt hab ich was zu schreiben gefunden«, sagte er. »Geben Sie mir bitte noch einmal die Adresse.«
Er schrieb die Straße an den Rand der Anzeige.
»Dann treffen wir uns um eins. Vielen Dank.«
Niemisel, dachte er. Dort wird niemand suchen.
Olavi Andersson stand auf, nahm seine Reisetasche, die neben dem Nachttisch stand, und ging zur Rezeption hinunter. Die Rechnung belief sich auf vierhundertneunundneunzig Kronen. Draußen auf der Straße blieb er eine Weile stehen.
Kein Taxi, dachte er. Der Fahrer würde sich vielleicht an mich erinnern.
Er kehrte noch einmal an die Rezeption zurück.
»Wo ist der Busbahnhof? Ich will in Richtung Stockholm.«
»Schräg gegenüber vom Bahnhof. Finden Sie dorthin?«
»Ja, klar.«
Am Busbahnhof ging er in die Wartehalle. An einer Wand hing ein Fahrplan mit den Abfahrtszeiten. Sein Finger suchte nach dem Bus Richtung Bälinge und fuhr dann weiter nach rechts zur Abfahrtszeit: 10.00 Uhr.
Er hob den Kopf und suchte nach einer Uhr.
»Viertel vor«, murmelte er vor sich hin.
Lieber warten, dachte er, bis ich den Schlüssel habe.
Er kontrollierte noch einmal die Abfahrtszeit. Der nächste Bus fuhr um 14.00 Uhr.
Den sollte ich schaffen, dachte er. Gut.
Als Elina das Polizeipräsidium verlassen wollte, wurde sie von einer der Frauen in der Anmeldung aufgehalten.
»Eine telefonische Nachricht«, sagte sie und hielt Elina einen Zettel hin. »Jemand hat nach dir verlangt, wollte aber nicht sagen, um was es geht.«
Elina überflog den Zettel. Der Anrufer hieß mit Vornamen ›Anton‹. Es dauerte eine Weile, ehe ihr Gehirn die richtige Verbindung herstellte. Dann lächelte sie und steckte den Zettel in die Hosentasche.
John Rosén fuhr. Diesmal hatte er widerwillig einen unauffälligen Personenwagen akzeptiert. Elina saß neben ihm. Auf der Autobahn fuhr er hundertvierzig, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, so schnell zu fahren. Das Flugzeug nach Luleå ging erst um 12.50 Uhr von Arlanda.
»Wie machen wir es?«, fragte sie.
»Wie viele Rolf Johanssons gibt es?«
Elina drehte sich zur Rückbank und zog ihre Reisetasche zu sich herüber. Sie öffnete die Tasche auf ihrem Schoß und holte einen Computerausdruck hervor.
»Neununddreißig in der ganzen Kommune. Aber viele sind zu jung. Unser Rolf Johansson muss mindestens sechzig sein. Vermutlich älter. Und da gibt es nicht mehr als … neun. Zwischen 1921 und 1940 geboren. Einer von denen sollte es sein.«
»Neun. Einer von ihnen also. Aber welcher?«
»Lass uns von dem ausgehen, was wir wissen. Er hat 1996, als er den Brief geschrieben hat, vermutlich in Luleå gewohnt. Und Anfang der sechziger Jahre hat er auch dort gewohnt. Als Erstes müssen wir herausfinden, wer von den neun zu beiden Zeitpunkten in Luleå gemeldet war.«
Sie nahm ihr Handy und wählte die Nummer der Auskunft. Nach einigen kurzen Sätzen legte sie auf und wählte erneut. Es folgte ein langes Gespräch. Als das beendet war, drehte sie sich zu John Rosén.
»Ich habe erfahren, dass man die Einwohnermeldungen im Computer nur bis zum 1. Juli 1991 zurückverfolgen kann. Davor hatte das Amt noch keine Computer und die Unterlagen befinden sich im Landesarchiv in Härnösand. Den Rest hast du verstanden, oder? Ich hab der Frau die Namen und Personennummern von den neun Rolf Johanssons gegeben, und sie hat versprochen, Kontakt zum Landesarchiv aufzunehmen, da sie glaubt, es würde schneller gehen, wenn sie selbst anruft.«
»Sehr hilfsbereit«, sagte Rosén. »Wenn wir ankommen, fahren wir also als Erstes zum Finanzamt. Und schauen, ob wir einige der neun ausschließen können.«
»Ausschließen, sagst du. Warum hat Rolf Johansson eigentlich nicht selber Alarm geschlagen? Er muss doch um sein Leben fürchten, nachdem erst Åkesson und dann Bergenstrand umgebracht wurden. Er wird den Zusammenhang verstanden haben. Der Einzige, der ihn verstanden hat.«
John Rosén zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht hat er gar nichts davon gehört.«
»Das kann doch niemandem
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