Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
namens Gustav hatte. Enquist war sofort zu ihm nach Hause gefahren.
»Das Ganze ist ihm unbegreiflich«, erzählte Enquist, als er sich zu den anderen gesellte. Er blätterte in einem Notizblock. »Ich habe nicht sehr viel aus ihm herausbekommen. Er war vollkommen mit den Nerven fertig. Annika und Jamal haben sich in einem Restaurant kennengelernt und sind vor etwa einem halben Jahr ein Paar geworden. Jamal hat Schwedischkurse für Einwanderer an der Volkshochschule besucht und Teilzeit in diesem Einwandererladen am Kopparbergsvägen gearbeitet. Er sei nett und sympathisch gewesen, sagt der Bruder. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Jamal kriminell oder an irgendwelchen zwielichtigen Geschäften beteiligt gewesen sein könnte. Seine Schwester arbeitete seit einem Jahr bei einer Werbeagentur. Ich habe den Namen ihres Chefs notiert. Von irgendeinem Ärger mit irgendwelchen Exfreunden war Gustav Lilja nichts bekannt. Er hat mir die Namen der beiden Freunde vor Jamal genannt. Weder Annika noch Jamal waren Mitglieder irgendwelcher politischer Vereinigungen, zumindest wusste er nichts davon. Aber er sagte auch, dass er sie nicht sonderlich oft getroffen hat.«
»Jamal besitzt, soweit bekannt, keinerlei Verwandtschaft in Schweden«, sagte Axel Bäckman. »Die Migrationsbehörde will uns seine Akte faxen.«
Elina sah Bäckman an.
»Du sagst, seine Akte. Du hast doch vorhin erzählt, es hätte eine Pressekampagne gegeben, damit er in Schweden bleiben dürfe. Das muss doch passiert sein, während er sich noch versteckt hielt?«
»Natürlich, das versteht sich.«
»Ist Jamal von der Länstidningen interviewt worden?«
»|a, … soweit ich mich erinnern kann, schon. Es gab da Fotos von ihm.«
»Der Reporter muss wissen, wer ihn versteckt hat. Sollten wir uns nicht mit ihm oder ihr unterhalten?«
»Ruf bei der Länstidningen an und bitte um die Artikel«, meinte Rosén. »Kannst du das gleich machen, Elina?«
Kärnlund seufzte.
»Das erinnert mich daran, dass wir eine Mitteilung an die Presse machen müssen. Ein Doppelmord lässt sich nicht unbedingt geheim halten. Sollen wir Jamals Angehörige in Gaza in Kenntnis setzen? Oder was sollen wir da unternehmen?«
»In der Akte stehen die Namen und die Adresse der Eltern«, meinte Bäckman. »Wir verständigen das schwedische Konsulat in Jerusalem.«
»Sobald ich mir die Zeitungsausschnitte über Jamal von der Länstidningen zukommen lasse, haben sie dort auch seinen Namen«, sagte Elina.
»Das ist ohnehin nur eine Frage der Zeit«, erwiderte Kärnlund. »Kümmer dich gleich drum, Wiik.«
6. KAPITEL
Es dauerte nur wenige Minuten, da hatte Elina die Artikel aus dem digitalen Archiv der Länstidningen erhalten. Elina saß in ihrem Büro und las sie am Bildschirm. Es waren insgesamt sechs Artikel. Die Fotos fehlten, nur die Bildunterschriften waren vorhanden. Jamal Al-Sharifs Konterfei würde ungesehen in den gebundenen Bänden der Zeitung langsam verblassen.
Dann griff Elina zum Telefon. Eine Frau meldete sich.
»Agnes Khaled.«
»Hier ist Elina Wiik von der Polizei Västerås. Erinnern Sie sich an mich? Der Fall Åkesson.«
»Natürlich. Rufen Sie deswegen an?«
»Nein, ich würde mit Ihnen gerne über eine andere Angelegenheit sprechen. Am liebsten sofort.«
»Das klingt ernst. Ist es das?«
»Ja. Aber nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten, nichts, was Sie persönlich betrifft.«
»Ich habe gerade Zimtschnecken im Ofen. Wenn es eilig ist, müssen Sie herkommen.«
»Ich bin schon unterwegs.«
Elina parkte vor Agnes Khaleds gelbem Haus in Blåsbo. Vor dem Haus gegenüber stand ein Dreirad. Eine Familie mit Kindern war in das Haus von Wiljam Åkesson eingezogen. Der Oberstadtdirektor hatte vor etwa einem Jahr am Tag seiner Pensionierung den Löffel abgegeben.
Agnes Khaled trocknete sich die Hände an ihrer Schürze ab und gab Elina dann die Hand. Der Duft von frischgebackenen Zimtschnecken stieg Elina in die Nase und weckte angenehme Erinnerungen.
»Ich bereite meinen Fünfzigsten vor«, sagte Agnes Khaled. »Sie ahnen gar nicht, wie viele Zimtschnecken ich für das Fest backen muss.«
Elina schüttelte den Kopf. Nicht, weil sie nicht wusste, wie viele Zimtschnecken noch gebacken werden mussten, sondern weil sie nicht glauben konnte, dass die Frau mit dem wuscheligen blonden Haar und den neugierigen blauen Augen auf die fünfzig zuging.
»Es kommen also viele Gäste?«
»Fürchterlich viele.«
Elina zog die Schuhe aus.
»Sagen Sie jetzt
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