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Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel

Titel: Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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Rosén, Bäckman und Niklasson sollten ermitteln, in welchen Kreisen sich die Mordopfer bewegt hatten. Dann würden sie alle verhören, die mit den beiden in letzter Zeit Kontakt gehabt hatten. Per Eriksson fiel die Aufgabe zu, den VW zu durchsuchen. Määttä wollte den Mordplatz samt Umgebung ein weiteres Mal absuchen.
     
    Im Wald fühlte sich Erkki Määttä wohl. Die Geräusche und der Duft vertrieben die Unruhe der Stadt aus seinem Kopf. Jeden Sommer hackte er für seine betagten Eltern in ihrem Haus am Fluss so viel Holz, dass es den Winter über reichte, und mit knapp vierzig erinnerte sein sehniger Körper immer mehr an einen Baumstamm.
    Systematisch durchsuchte er das Terrain innerhalb der Absperrung. Im Abstand von jeweils einem Meter spannte er Leinen in Längsrichtung auf und folgte ihnen dann wie ein Läufer auf einer Laufbahn, den Kopf aufmerksam auf den Boden gerichtet. Falls es hier etwas gab, würde er es finden.
    Nach eindreiviertel Stunden fand Määttä sie. Sie lag wie ein silberner Fisch im sumpfigen Wasser und erinnerte an eine reglose Bachforelle. Er zog einen Plastikhandschuh über und hob sie hoch.
    »Jetzt können wir nur hoffen«, sagte er zu der tropfenden DV-Kamera.
     
    Es dauerte über zwei Stunden, bis die DV-Kassette trocken war. Eine weitere Stunde war nötig, die erforderliche Ausrüstung zu beschaffen, um sie abzuspielen.
    Alle neun Mitglieder der Fahndungsgruppe versammelten sich im Besprechungsraum. Määttä hatte, als er sie um ihr Erscheinen gebeten hatte, nicht erläutert, worum es genau ging, sondern nur angedeutet, dass er möglicherweise etwas Interessantes gefunden habe. Er selbst hatte sich die Filmkassette bereits angesehen. Jetzt wollte er sie den anderen vorführen. Svalberg zog die Gardinen vor. Ruhe. Film ab.
    00.00.03. Jamal auf den Knien mit einer Raffel in der Hand. Er lacht in die Kamera und zu Annika. Die Kamera kommt näher, im Spaß beugt er sich vor, und sein Auge füllt den Bildschirm. Dann richtet Annika die Linse auf sich. Lacht. Ein Schwenk auf die Landschaft. Tannen, ein paar Kiefern, eine Birke, der Hang. Preiselbeeren. Das Bild wackelt, als die Kamera abgestellt wird.
    00.03.42. Ein Elch. Wird mit Zoom herangeholt. Ein leises Geräusch. Eine Stimme? Annikas Stimme: »Jamal!« Ein rascher Schwenk um 180 Grad. Ihre Stimme etwas leiser, fragend. »Jamal?« Ein deutliches Einatmen. Füße nähern sich im Laufschritt. Feste Schuhe, dunkle Hosen. Die Kamera ist auf den Boden gerichtet. Preiselbeerpflanzen und Kiefernzapfen auf dem Hang. Neuer Schwenk. Annikas Beine, bewegen sich hastig in den Sumpf hinein. Sie keucht, platschende Schritte. Das Bild wackelt fürchterlich. Sumpfiges Wasser und Grasbüschel kommen rasend schnell näher. Dann dreht sich der Bildausschnitt um sich selbst. Himmel und Baumwipfel. Für einen Bruchteil von Sekunden taucht ein kleiner schwarzer Gegenstand in der linken unteren Bildecke auf. Ein Knirschen, ein kurzes Stöhnen, als würde Luft entweichen. Das Aufschlagen eines Körpers. Ein Zittern, die Wasseroberfläche wird durchstoßen. Grashalme unter Wasser. Dunkelheit.
    Ende. Stille.
    Määttä beugte sich vor und stellte das Gerät ab. Svalberg öffnete die Vorhänge. Elina war übel geworden. Sie zwang sich dazu, die anderen anzuschauen, um die Bilder zu verdrängen. Rosén hatte die Augen geschlossen. Kärnlund fuhr sich über die Glatze. Bäckman war erblasst. Enquist erhob sich und begann auf und ab zu gehen.
    Jan Niklasson brach das Schweigen. »Wenn sie nur nicht in dem Moment, in dem sie sich umgedreht hat, die Kamera gesenkt hätte. Dann hätten wir ihn und nicht nur seine Füße auf dem Bild.«
    »Wir müssen uns das hier noch einmal zumuten«, meinte Rosén. »Wir müssen uns ihretwegen zusammennehmen. Määttä, kannst du die Kassette noch einmal abspielen?«
    Rosén ging auf den Fernseher zu und deutete auf den Monitor. »Was passiert eigentlich in dieser Sequenz?«
    Elina fasste den Inhalt zusammen.
    »Sie filmt den Elch, ruft Jamal, vielleicht will sie, dass er kommt und sich den Elch ebenfalls ansieht. Sie dreht sich um, sieht Jamal auf der Erde liegen und einen Mann mit einer Axt auf sich zukommen. Sie erfasst die Situation sehr schnell. Sie versucht, vor ihrem Verfolger wegzulaufen, verliert die Kamera. Den Rest wissen wir.«
    Rosén drückte erst auf die Rückspultaste, dann auf Play.
    »Was lässt sich zu den Füßen sagen?«
    »Ein Mann«, meinte Enquist. »Mit Sicherheit ein Mann.«
    Die anderen nickten.

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