Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
Elina. »Worum ging es?«
»Ich wollte nur wissen, wie es mit den Ermittlungen aussieht.«
»Gut, finde ich. Es geht vorwärts, aber in einer anderen Richtung, als du zuerst dachtest.«
»Ihr glaubt also, dass diese Sache mit den Schleusern und dem verschwundenen Cousin zu tun hat?«
»Es hat ganz den Anschein«, meinte Rosén. »Du weißt doch, dass wir heute wegen der Fahndung nach den drei Schmugglern eine Pressekonferenz gegeben haben?«
»Ja, das habe ich gehört. Mal sehen, wer am Schluss Recht behält.«
Wir sollten das Thema wechseln, dachte Elina.
»Wo ist Kärnlund?«, wollte sie wissen.
»Er sitzt da drüben am Honoratiorentisch.«
Svalberg deutete auf einen Tisch, an dem auch der Bezirkspolizeichef saß.
Um halb zehn hatten sie gegessen. Der Bezirkspolizeichef stand auf und dankte allen für die gute Arbeit im vergangenen Jahr. Dann wandte er sich an Kärnlund.
»Und was dich betrifft, Oskar, habe ich dir für so viel mehr zu danken, nicht nur für die Arbeit eines Jahres, sondern für die Arbeit eines ganzen Lebens.«
Er beschrieb, was Oskar Kärnlund für das Kriminaldezernat bedeutete, und erzählte dann einige Anekdoten, die die meisten im Saal bereits kannten. Zum Schluss überreichte er ihm einen großen Blumenstrauß und ein Paket.
»Whisky«, sagte Rosén.
»Cognac«, meinte Axel Bäckman.
»Nein, etwas Dauerhafteres. Eine Bleikristallvase«, sagte Elina.
»Das Paket ist zu klein«, sagte Rosén. »Es muss eine Flasche sein.«
»Sollen wir wetten?«, erwiderte Elina.
»Okay.«
Elina zog eine Zehnkronenmünze aus der Tasche.
»Wappen, dann gewinne ich, Zahl, dann gewinnst du.«
Sie warf die Münze in die Luft, aber es gelang ihr nicht, sie aufzufangen. Sie fiel unter den Tisch. Sie beugte sich vor und suchte.
»Wappen«, sagte sie unter dem Tisch und verrenkte sich, um wieder hochzukommen und knallte mit dem Kopf an die Tischkante.
»Au«, sagte Svalberg.
»Geht’s?«, fragte Axel Bäckman.
»Alles okay?«, wollte Rosén wissen.
In diesem Augenblick entdeckte sie ihn. Den Zusammenhang. Der Groschen war gefallen. Verwirrt starrte sie die Männer an, die ihr gegenübersaßen.
»Ich glaube, es ist noch mal gutgegangen«, meinte sie.
Das kann einfach nicht möglich sein, dachte sie.
Alle applaudierten. Kärnlund bedankte sich für das Geschenk und die Blumen.
»Entschuldigt mich«, sagte Elina und erhob sich. »Ich muss noch eben etwas erledigen.«
Sie meinte, die Blicke im Rücken zu spüren, aber sie konnte nicht warten. Sie konnte nicht mehr still sitzen, sie zitterte bereits.
Sie rannte das letzte Stück, hatte Mühe, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, machte Licht, schloss den Schrank hinter ihrem Schreibtisch auf und begann in dem Karton mit den Akten zu suchen. Endlich hatte sie die DV-Kassette gefunden. Sie atmete langsam und tief, um wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Dann trat sie auf den Gang hinaus und ging ins Besprechungszimmer. Sie schloss die Tür hinter sich, machte aber kein Licht, sondern schob gleich die Kassette in das Abspielgerät.
Jamal … Annika … der Elch. Annika ruft Jamal. Die rennenden Füße von Annika. Annikas Keuchen, die Kamera über dem Sumpf.
Elina spulte das Band zurück. Sah es sich noch einmal an.
Vielleicht, dachte sie. Kann das sein?
Sie ließ den Film ganz zurücklaufen und spielte ihn ganz ab. Sie legte ihr Ohr an den Lautsprecher. Machte das Ganze noch einmal. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Stand auf, ging auf und ab.
Mach jetzt keine Dummheiten, sagte sie zu sich. Denk stattdessen nach.
Sie ging in ihr Zimmer zurück und schloss die Kassette in ihren Schrank ein. Setzte sich. Sie hatte das Gefühl, die Wände würden auf sie zukommen, das Zimmer würde implodieren. Sie fixierte den Schmutzfleck an der Wand, als sei dieser ihre einzige, momentan existierende Konstante. Sie dachte angestrengt nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Bert-Ove Bengtsson, dachte sie plötzlich. Bert-Ove Bengtsson. Sie schaute in ihren Kalender, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Malmabergsgatan, keine Spuren eines Brecheisens. Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie schaltete ihren Computer ein, klickte zum Melderegister weiter, trug einen Namen und eine Adresse ein und klickte auf Suchen. Keine Treffer. Sie griff zum Telefonhörer und erkundigte sich nach demselben Namen unter derselben Adresse. Unbekannt.
Sie saß regungslos da. Dann erhob sie sich, holte ihren Mantel aus der
Weitere Kostenlose Bücher