Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
Gott«, sagte Erik Enquist. »Über dreißig Personen.
Es werden sicher noch weitere Faxe eintreffen. Wisst ihr, was das bedeutet?«
Die anderen wandten sich ihm zu.
»Wenn Sie in unseren Gewässern umgekommen sind«, fuhr er fort, »dann ist das eine der größten Flüchtlingskatastrophen unserer Geschichte.«
»Oder vielleicht etwas noch Schlimmeres«, erwiderte Rosén. »Der Schuss. Der Tote in Rügen. Wir wissen nicht, was da auf See passiert ist, nur dass sie verschwunden sind. Vielleicht war es ja mehr als ein Unglück. Es kann alles sein, angefangen von einem gigantischen, tragischen Unglück bis hin zum Massenmord.«
»Das Boot, die Mistral, kehrte nach Lettland zurück«, sagte Elina. »Was geschah mit den Menschen an Bord?«
Niemand sagte etwas. Niemand wusste es. Mutmaßungen reichten nicht aus. In Elinas Kopf tauchte ein Bild auf. Von Kindern, die sich an ihren Eltern festklammerten. Von Sturm und Eiseskälte. Von Menschen, die verloren waren.
»Von den Schleusern noch keine Spur.«
John Rosén sagte das, ehe die Stille zu bedrückend wurde.
»Dass es so schwer werden würde, diese drei Leute aufzutreiben …«
»Das ist nicht so verwunderlich«, meinte Enquist. »Falls sie wieder die Namen geändert haben, weiß ich nicht, wie wir das überhaupt anstellen sollen. Dann haben wir nur noch ihre Fotos.«
»Und wenn sie jetzt immer noch in Schweden sind?«, meinte Elina. »Können wir sie irgendwie aus ihren Löchern locken? Können wir irgendwelche Informationen verbreiten, die sie zu einer Reaktion zwingen?«
»Entweder das«, meinte Rosén, »oder wir geben einen Fahndungsaufruf an die Medien. Wir lassen die Fotos veröffentlichen und erklären, warum wir mit ihnen in Kontakt treten wollen.«
»Der Nachteil ist, dass sie dann wissen, was Sache ist«, meinte Elina. »Dann verlassen sie so schnell wie möglich das Land. Der Vorteil ist natürlich, dass jemand sie gesehen haben könnte und wir vielleicht erfahren, welche Namen sie im Augenblick verwenden und wo sie sich aufgehalten haben also in letzter Zeit.«
»Was meint ihr?«, fragte Rosén. »Abstimmung? Wer dafür ist, dass wir die Fotos veröffentlichen, hebt die Hand.«
Langsam wanderten vier Hände in die Luft.
»Ich spreche mit den Verantwortlichen«, sagte Rosén. »Diese Aktion müssen wir von oberster Stelle absegnen lassen.«
»Und wenn sie |a sagen, was machen wir dann?«, fragte Elina.
»Wir geben eine Pressekonferenz. Je mehr Leute wir erreichen, desto besser. Wir sagen dasselbe wie in der Fahndung.«
Rosén schaute auf seine Uhr.
»Heute ist es zu spät. Aber morgen Vormittag wäre vielleicht nicht schlecht. Mittwoch. Dann kommt es nachmittags im Radio, abends im Fernsehen, und am nächsten Morgen steht es in der Zeitung. Wenn wir das vor Weihnachten noch erledigen wollen, müssen wir es morgen durchziehen.«
»Du hast etwas vergessen«, meinte Svalberg. »Morgen Abend ist unsere Weihnachtsfeier. Kärnlund soll verabschiedet werden. Keiner von uns wird morgen Abend arbeiten und Hinweise entgegennehmen wollen. Und am Donnerstagmorgen sind wir wahrscheinlich alle nicht sonderlich fit.«
»Ich kann die Spielverderberin der Party sein«, meinte Elina. »Ich hatte ohnehin nicht vor, sonderlich viel zu trinken.«
Die anderen warfen ihr einen dankbaren Blick zu.
» My hero« ,meinte Svalberg.
Elina räumte ihre Sachen zusammen und schloss alle wichtigen Schränke ab, ehe sie ging. Sie nahm ihre Tasche, machte das Licht aus und öffnete die Tür. Da klingelte das Telefon.
Wieso klingelt es eigentlich immer, wenn ich nach Hause will?, dachte sie und seufzte. Sie drehte sich um, setzte sich wieder in die Dunkelheit und griff zum Hörer.
»Hallo«, sagte eine Stimme. »Hier ist Bert-Ove Bengtsson. Erinnern Sie sich an mich?«
»Nein, nicht auf Anhieb«, erwiderte Elina. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Es geht um den Kellereinbruch in der Malmabergsgatan. Sie haben sich auf der Baustelle mit mir unterhalten.«
»Ja, jetzt erinnere ich mich«, erwiderte Elina. »Wie gesagt, womit kann ich Ihnen helfen?«
»Ich wollte nur wissen, ob Sie mit Ihren Nachforschungen weitergekommen sind?«
»Wir hatten gerade sehr viel anderes um die Ohren«, meinte Elina. Sie merkte selbst, dass sie unnötig gereizt klang. Die Frage von Bert-Ove Bengtsson war berechtigt. »Wir hatten viel zu tun«, meinte sie beschwichtigend. »Leider müssen das immer diejenigen ausbaden, die von einer weniger schweren Straftat betroffen sind.«
»Ja,
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