Elina Wiik - 03 - Der tote Winkel
überholte drei Autos.
»Langsamer.«
»Wenn du schießt, sterben wir beide«, schrie Elina.
Sie warf einen Blick aufs Armaturenbrett. Fünf nach zehn. Hoffentlich waren sie schon da.
Mit der Polizeikelle in der Hand trat der Polizist ein paar Schritte auf den leeren Bergslagsvägen. Sein Kollege hatte den Streifenwagen auf der Zufahrt zum Nordanby Gård so geparkt, dass er von der Straße aus nicht zu sehen war. Er schaute Richtung Süden zur Stadt hinunter, ohne ein einziges Fahrzeug zu sehen.
»Hier stehen wir, und die anderen schlagen sich den Bauch voll«, sagte er. »Jammer nicht«, erwiderte sein Partner, »ich muss Heiligabend arbeiten, und zumindest das bleibt dir erspart.«
Der Polizist mit der Kelle seufzte. »Immerhin wird es ein ruhiger Abend.« Er drehte den Kopf herum und schaute den Bergslagsvägen in nördlicher Richtung hinunter. In diesem Augenblick schoss dreihundert Meter entfernt Elinas Wagen aus dem Kreisverkehr. Die Reifen quietschten. »Die spinnen!«, sagte er mit Nachdruck und hielt reflexmäßig die Polizeikelle hoch.
Elina fuhr mit 130 Sachen an der Streife vorbei. Mit der freien Hand drückte sie auf die Hupe. Beim nächsten Kreisverkehr fuhr sie eine ganze Runde, und zwar so schnell sie konnte, ohne sich zu überschlagen, und fuhr wieder zurück.
Der Motor heulte, die Hupe dröhnte. Sie sah, dass die Polizisten im Streifenwagen saßen und auf die Straße einbogen. Elina meinte auch zu sehen, dass einer von ihnen das Funkgerät in der Hand hielt.
»Bald haben wir sie alle hinter uns!«, sagte sie.
Im Rückspiegel sah sie das Blaulicht. Sie trat voll auf die Bremse, das Auto schleuderte eine halbe Umdrehung und landete mit dem Heck im Graben. Der Mann auf dem Rücksitz wurde nach vorne geworfen und verlor seine Pistole. In dem Moment, in dem der Wagen zum Stillstand kam, warf sich Elina aus der Fahrertür. Die beiden Polizisten hatten dreißig Meter entfernt angehalten und stiegen aus. Elina rannte auf sie zu und schrie:
»Zieht eure Waffen! Er hat eine Pistole!«
Die Polizisten gingen hinter den Türen in Deckung und zielten auf Elinas Auto. Elina rannte an ihnen vorbei und drehte sich dann erst um. Sie sah, dass eine der hinteren Türen geöffnet wurde, dann stieg eine große Gestalt aus. Er hielt die Arme ausgestreckt. Die Hände waren leer.
Die Polizisten gingen langsam auf ihn zu. Elina folgte ihnen, blieb aber einen halben Schritt hinter ihnen. Als sie näher kamen, machten die beiden Polizisten große Augen.
»Was soll das?«, fragte der eine. »Was machst du hier, Bäckman?«
Axel Bäckman verzog keine Miene.
42. KAPITEL
»So hatte ich mir das Ende meiner Karriere nicht gerade vorgestellt«, meinte Kärnlund und schüttelte den Kopf.
»Bäckman, kaum zu glauben. Das ist wirklich ein Alptraum. Und Elina, Elina. Was hast du dir nur gedacht? Da einfach abends allein hinzufahren?«
»Ich bin vollkommen fertig, Kärnlund. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Jetzt habe ich keine Kraft mehr.«
Sie ließ den Kopf hängen und fühlte sich den Tränen nahe. Dann stand sie auf und trat ans Fenster. Sie stellte sich so, dass die anderen ihr Gesicht nicht sehen konnten. Rosén, Jönsson, Enquist und Svalberg folgten ihr mit ihren Blicken. Es war Viertel nach sechs Uhr in der Früh. Das Chaos im Präsidium hatte sich wieder gelegt. Bäckman befand sich in Untersuchungshaft. Um acht Uhr würde ein Rechtsanwalt erscheinen.
»Was ist passiert?«, sagte Rosén leise. »Versuch zu erzählen.«
Elina setzte sich wieder. Schluckte. Ihr Hals tat weh. Am Kehlkopf hatte sie blaue Flecken.
»Ich will es versuchen. Es war, als würde alles auf einmal passieren. Irgendetwas löste sich in meinem Kopf. Wo soll ich anfangen?«
Letzteres war mehr eine rhetorische Frage.
»Wir haben uns doch alle überlegt, was es für Verbindungen gibt, nicht wahr? Zwischen den Schleusern und Sayed, zwischen Sayed und Jamal und zwischen Jamal und Ahmed Qourir, zwischen Qourir und Carlström und zwischen Carlström und den Schleusern. Wir dachten alle, dass wir den Kreis geschlossen hätten, haben aber eine Verbindung vergessen. Axel Bäckman. Bäckman hatte die erste Vernehmung mit Jamal nach seinem Antrag auf Asyl durchgeführt. Er war ein Kettenglied.«
»Wer hätte gedacht, dass er in diese Sache verwickelt ist?«, meinte Jönsson.
»Niemand natürlich«, erwiderte Elina. »Darum hat auch niemand von uns einen Gedanken daran verschwendet.«
»Aber was hat er eigentlich
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