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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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er.
    Ich gab keine Antwort, sondern tanzte einfach.
    » Was machst du da? Das kann ich nicht. Geht nicht. Meine Hüften lassen sich nicht so bewegen. Wie machen deine Hüften das?«
    Er machte fieberhafte Minischritte, die vollkommen außer Takt waren.
    Ich legte ihm die Hände auf die Hüften. » Langsamer. Entspann dich und lass die Hüften locker.«
    » Ich bin entspannt. Meine Hüften sind nur sehr schüchtern, sie wollen nicht wie der Rest von mir total abgehen.«
    Ich lachte und wir tanzten bis zum Ende des Songs. Dann machten wir uns auf den Weg zum Sambadrom, wo die offizielle Sambaparade stattfand. Wir hatten von der Zeitschrift, die mich für das Fotoshooting engagiert hatte, Tickets in einer frisa, einer der vorderen Boxen, bekommen, so nah am Geschehen wie möglich. Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn der Parade ein. Der Lärm der Menschenmassen war bereits ohrenbetäubend. Ich hielt mich an Bens Hand und meiner Kamera fest, als wir uns einen Weg durch das schier endlose Menschenmeer bahnten. In der Regel hasste ich solche Massenveranstaltungen, aber das hier setzte alle Regeln außer Kraft.
    Mit einem Feuerwerk wurde die Parade eingeläutet und die Karnevalskönigin führte die erste Gruppe von Tänzern ins Sambadrom. Ich war im Himmel. Ben verzog das Gesicht.
    » Was würdest du jetzt für Ohrenstöpsel geben?«, fragte ich ihn. Das hier war überhaupt nicht Bens Ding, aber er hielt sich tapfer.
    Der Umzug verwandelte die Straße in ein kunterbuntes Kaleidoskop. Jede Gruppe bestand aus Hunderten von Tänzern und Trommlern in ausgeflippten, aufeinander abgestimmten Kostümen mit Federn, Flügeln, winzigen Spiegeln, Perlen, Glöckchen und vielem mehr. Sie tanzten zwischen riesigen Festwagen, die hoch aufragten und von noch mehr Tänzern und Musikern wimmelten. So ging es ewig weiter und jede Truppe übertraf noch die vorige. Man wusste gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte.
    Ben und ich blieben fast die ganze Nacht dort, tanzten und machten Bilder. Um vier Uhr morgens kochte das Sambadrom noch immer, doch mein Auftrag bestand auch darin zu zeigen, was um die Sambaparade herum los war. Also ließen wir uns mit dem Strom zurück in die City treiben, wo sogar jetzt, kurz vor der Morgendämmerung, mehr los war als in den meisten Städten um die Mittagszeit.
    Als die ersten Streifen eines pinkfarbenen Sonnenaufgangs am Horizont aufflammten, erreichten Ben und ich den Strand bei unserem Hotel. Auch hier ging die Party noch mit mehreren Trommlern weiter, die vereinzelt entlang der Bucht im Sand saßen, jeder von einer kleinen Menschentraube umringt, die um ihn herum tanzte. Die Atmosphäre war aufgeladen, aber gebändigt– das letzte Aufbäumen einer durchfeierten Nacht. Nur ein Grüppchen– wahrscheinlich Studenten– gab immer noch Vollgas und johlte und tanzte, als hätte die Party eben erst begonnen. Ich schoss Bilder von ihnen und allem anderen, was am Strand vor sich ging. Dann war ich fertig. Meine Arbeit war erledigt.
    Ich packte die Kamera ein und atmete tief die salzige Luft. Meine Augen waren angestrengt, doch ich dachte nicht daran, jetzt ins Bett zu gehen. Stattdessen wandte ich mich an Ben.
    » Tanz mit mir«, sagte ich.
    Zu meinem Erstaunen tat er es, ohne sich zu beschweren. Er nahm meine Hände und bewegte sich im Rhythmus eines Trommlers ganz in der Nähe. Ich kickte meine Schuhe weg, um den Sand zwischen meinen Zehen zu spüren, dann schloss ich die Augen und gab mich der Musik hin. Ich ließ Ben los und wirbelte im Kreis… bis ich das Gleichgewicht verlor und ins Taumeln geriet. Ben fing mich in seinen Armen auf und überraschte mich, indem er mich gekonnt herumwirbelte und dann mit mir eine tiefe Rückenbeuge vollführte.
    Ich sah auf. Mein ganzes Blickfeld war mit Ben ausgefüllt. Sein Gesicht, so vertraut, vor dem frühmorgendlichen Himmel. Sein zerzaustes braunes Haar, seine Nase, die nur minimal zu groß für sein Gesicht war, seine hellbraunen Welpenaugen. Eine dünne Stoppelschicht bedeckte sein Kinn und plötzlich hatte ich den unwiderstehlichen Drang, ihn zu berühren. Ich fuhr mit den Fingern sanft über seine Wange. Kratzig.
    » Clea.« Bens Stimme war ein wenig rau, als er meinen Namen sagte. Er zog mich wieder hoch, bis ich aufrecht stand, ließ mich aber nicht los. Es machte mir nichts aus. Schön, seine Arme um mich zu spüren. Ich erinnerte mich an den Abend, an dem ich aus Europa zurückgekommen war und wie das nasse T-Shirt an seinem Oberkörper geklebt hatte.

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