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Elixir

Elixir

Titel: Elixir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Duff
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zudecken und mir einen Gutenachtkuss geben.
    Das war es, was ich wollte. Es war so einfach und doch so unerreichbar. Ich hatte nichts mehr, woran ich mich festhalten konnte… ich rollte mich zusammen und schluchzte hemmungslos.
    » Hey… alles okay mit dir?«
    Ich erkannte die Stimme– wie hatte ich in meinen Träume wissen können, wie seine Stimme klang?–, doch als er sich neben mich kniete, rückte ich von ihm ab.
    » Fass mich nicht an!«, fauchte ich.
    Er hob die Hände, um zu zeigen, dass er mir nichts tun wollte. » Okay, okay«, sagte er mit einem Schmunzeln. » Du hast mich gejagt– schon vergessen?«
    Ich funkelte ihn an. Es war eine Meisterleistung an Zurückhaltung, was ich da bot, denn in Wahrheit herrschte in mir das totale Chaos und meine Gefühle fuhren Achterbahn, jetzt, da ich ihn leibhaftig vor mir hatte.
    Ich durfte nicht vergessen, dass er ein Fremder war, sagte ich mir. Höchstwahrscheinlich ein gefährlicher Fremder. Am liebsten hätte ich ihn tausend Dinge auf einmal gefragt, aber es war wichtig, dass ich jetzt stark blieb.
    » Tut mir leid«, sagte er. » Ich dachte, du hättest dich verletzt.«
    » Ich habe mich verletzt. Mein Knöchel ist verstaucht.«
    » Vielleicht solltest du besser keine fremden Männer durch den Wald verfolgen.«
    » Vielleicht solltest du nicht so tun, als würdest du mich nicht kennen.«
    Einen Moment lang weiteten sich seine Augen vor Schreck. » Du erinn–«
    Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf, als wolle er einen unliebsamen Gedanken loswerden, und seine Miene entspannte sich wieder. Nur seine zusammengebissenen Zähne verrieten seine Nervosität.
    » Du musst dich täuschen. Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind.«
    » Sicher? Schaust du alle Mädchen an, als hätten sie dich mit deiner Hand in ihrem Geldbeutel erwischt?«
    » Ich weiß nicht, wovon du sprichst–«
    » Und dann bist du weggerannt. So schnell es ging, obwohl du wusstest, dass ich versucht habe, dich einzuholen. Das ist doch nicht normal. So benimmt man sich nicht Fremden gegenüber.«
    Der Mann presste die Lippen aufeinander und die rechte Faust gegen seine Schläfe– eine Geste, die mir so vertraut war, dass es mich beinahe aus der Fassung brachte. Irgendwie gelang es mir, ihn weiterhin mit eiskaltem Blick anzusehen.
    Er senkte die Faust und lächelte, doch das Lächeln erreichte nicht seine Augen.
    » Ich habe mich dumm verhalten«, sagte er steif. » Ich habe keine gute Erklärung dafür, außer, dass ich die Gesellschaft anderer meide. Ich bin nur zurückgekommen, weil du dich verletzt hast und es mir unverantwortlich vorkam, ein Mädchen ganz allein mitten im Nirgendwo liegen zu lassen. Aber wenn ich lieber gehen soll…«
    » Nein.«
    » Gut. Dann lass mich deinen Knöchel anschauen.«
    Er beugte sich vor und zog die Augenbrauen hoch, was wohl heißen sollte, dass ich ihm mein Bein zeigen sollte. Ich streckte es ihm hin. Als er gerade meinen Fuß in die Hände nahm, knackte es im Gebüsch hinter uns.
    » Oh Gott, geh von ihr weg! Was hast du getan?«
    Ich fuhr herum, als Ben mit feuerrotem Gesicht auf die Lichtung stürzte und den Mann wegstieß.
    » Ben!«, protestierte ich.
    » Ganz ruhig«, sagte der Fremde und stand auf. » Sie ist verletzt. Ich wollte mir nur ihren Knöchel–«
    » Geh. Weg. Von. Ihr«, knurrte Ben.
    » Ben, hör auf«, sagte ich.
    Er sah mich verwirrt an, dann wandte er sich wieder an den Mann. Seine Körperhaltung erinnerte mich an einen Pit Bull, der an der Leine zerrt. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht lustig gewesen: der schlaksige Bücherwurm Ben, der nie im Leben eine Bedrohung für diesen großen, kräftigen Mann darstellen würde.
    Der Mann wich zurück. » Es ist nichts gebrochen oder gerissen«, meinte er und nickte in Richtung meines Fußes. » Nur eine Zerrung. Morgen sollte es wieder in Ordnung sein.«
    Ben ließ den Fremden nicht aus den Augen, während er mit ruhiger, bedachter Stimme zu mir sagte: » Was du tun musst, Clea, ist ganz einfach. Sag ihm, dass er dir gleichgültig ist. Dass er dich in Ruhe lassen soll. Ein für alle Mal. Sag ihm, du verdammst ihn, hinfortzugehen und bis in alle Ewigkeit die Welt zu durchstreifen.«
    Hatte er den Verstand verloren? » Wovon sprichst du?«
    » Alte Mythologie«, erklärte Ben. » So wird man einen Incubus los.«
    » Einen was?« Der Mann lachte.
    Ben machte ein ernstes Gesicht. » Sag es, Clea.«
    » Bitte… macht euch keine Umstände.« Der Fremde hob die Hände.

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