Elizabeth II.: Das Leben der Queen
der er zu sein glaubte, fügsam machen zu können. Schätzte das Volk ihn nicht als Erneuerer? Was bedurfte dringenderer Reform als das ihm im Wege stehende Eheverbot? Kann ein Monarch nicht die Frau heiraten, die er liebt, auch wenn sie geschieden ist? (Erst 50 Jahre später wurde diese Frage für Prinz Charles mit Ja beantwortet.) Galt er nicht als «Staubsauger, der allen Dreck aufsaugt, mit dem die antiquierten harten Bürsten nicht fertig werden», wie ihm ein Fan geschrieben hatte? Im Übrigen gab es den «Royal Marriage Act» von 1772, und der enthält eine kuriose Vorkehrung: Zwar müssen alle Mitglieder der Königsfamilie bei beabsichtigten Heiraten die Erlaubnis des Monarchen einholen, jedoch mit einer Ausnahme: Er selber muss niemanden fragen. Doch hat er dann auch die Konsequenzen zu tragen, wenn eine höhere Instanz, das Parlament, der eigentliche Souverän, Nein sagt.
Die Öffentlichkeit wusste freilich bis fast zuletzt nichts über das Liebesleben des Thronfolgers, weder aus seinen früheren Jahren noch von der schicksalhaften Verbindung zwischen ihm und Wallis Simpson. Die britische Gesellschaft war praktisch zweigeteilt: hier die Elite aus Hof, High Society und den führenden Politikern, wo man bestens über alles Bescheid wusste; dort das Bürgertum, das ahnungslos war, von den Medien vollkommen im Dunkeln gelassen, selbst als diese erste Signale der Krise auffingen. Das war zunächst ein Vorteil für den neuen König: Er konnte nach außen weiterhin in den Augen des Volkes als der inspirierende Mann der Moderne auftreten, der höfische Etikette verschmähte, ein offenes Herz für soziale Unterschichten besaß und sich vor allem bei den Kriegsveteranen größter Beliebtheit erfreute. Er war gut aussehend, weltberühmt, aber niemand außer den Eingeweihten ahnte, dass sich hinter der glänzenden Oberfläche möglicherweise der erste Burnout einer Celebrity des 20. Jahrhunderts anbahnte.
Was hatten die höheren Kreise an Mrs. Simpson auszusetzen, ganz abgesehen von der konstitutionellen Unmöglichkeit einer «Queen Wallis»? Vor allem, was ihr königlicher Geliebter so attraktiv an ihr fand – ihre Direktheit, ihren Mangel an Understatement und dass sie sich so gar nicht in höflicher Gesellschaft zu benehmen wusste. Auch übernahm die Aufsteigerin allzu offen das Kommando über ihren Geliebten. Sie fand nichts dabei, ihm vor anderen wegen seiner manchmal offen gezeigten Unreife über den Mund zu fahren, seine Kleidung zu kritisieren oder sich von ihm ihre Zehennägel lackieren zu lassen. Beobachter waren peinlich berührt von den vielen Anzeichen der Unterwürfigkeit des Prinzen. Chips Channon, Unterhausabgeordneter und einer der großen Tagebuchschreiber dieser Ära, fand, dass schon Thelma Furness die Veränderung von David/Edward vorbereitet hatte. «Sie hatte ihn amerikanisch, demokratisch, locker und ein wenig gewöhnlich gemacht», vertraute er seinem Tagebuch an. Nur Winston Churchill urteilte verständnisvoller gegenüber dem Mann, dem er lange Jahre freundschaftlich verbunden war und dessen Abdankung er zu verhindern suchte. Martin Gilbert, Churchills Biograf, zitiert ihn wie folgt: «Der König fand in Wallis Simpson Qualitäten, die so notwendig zu seinem Glück waren wie die Luft, die er atmete. In ihrer Nähe fiel alle Nervosität von ihm ab, er wirkte wie ein komplettes Wesen, nicht mehr wie eine kranke, gejagte Seele. Solch ein Erlebnis, das vielen Menschen in der Blüte ihrer Jugend widerfährt, kam spät in seinem Leben zu ihm und wurde gerade deshalb umso wertvoller für ihn, auch zwanghafter.»
Dagegen konnte Elizabeth, die Herzogin von York, Berties Gemahlin, die «amerikanische Abenteuerin» für ihr Leben nicht ausstehen. Einmal auf Besuch bei den Yorks, in der Royal Lodge in Windsor Great Park, verlor Wallis kaum eine Minute, ehe sie vorlaut Ratschläge erteilte über die Gestaltung des Gartens und selbst über das Arrangement des Mobiliars. Alles
so very un-British.
«Mummy, wer war das denn?», fragte unschuldig, aber ebenfalls betroffen die zehnjährige Prinzessin Elizabeth ihre Mutter. WallisSimpson wurde zur absoluten Unperson erklärt. Nur zweimal hat der Hof der Herzogin von Windsor, die sie nach dem Dezember 1936 wurde, eine Rückkehr nach England gestattet: 1967, bei der Enthüllung einer Büste von Queen Mary, an der Wallis und ihr Mann teilnahmen, dann 1972 aus Anlass der Beerdigung des Ex-Königs in Windsor. Neben ihm auf dem Gelände königlicher Gräber nahe
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