Elizabeth II.: Das Leben der Queen
im Juni 1953 das Medium Fernsehen seine globale Rolle antreten: Die Krönung und der Festumzug durch die nieselregennassen Straßen Londons, kulminierend mit der Szene auf dem Balkon des Buckingham Palastes, wurde das erste Megaspektakel der Fernsehgeschichte, 300 Millionen Menschen in aller Welt nahmen an ihren Geräten teil, in Großbritannien stieg die Zahl der TV-Besitzer über Nacht von einigen Hunderttausend auf vier Millionen an. Wer nicht im Besitz eines Fernsehers war, fuhr oder radelte zu Freunden, um das Ereignis live verfolgen zu können. Wir Heutigen, die per Mausklick zu sehen bekommen, was an den vier Enden der Welt gerade geschieht, können uns kaum mehr vorstellen, wie das im Juni 1953 in der Morgenröte des Fernsehens war: Zum ersten Mal in der Geschichte erhielten damals diejenigen, die bei einem Ereignis nicht physisch dabei waren, die Chance, ihr Empfinden mit denen zu teilen, die es tatsächlich selber sahen.
In Paris verfolgte es ein Exkönig, der nicht eingeladene Herzog von Windsor, um beeindruckt von seiner Nichte zu kommentieren: «Eine Frau absolviert dies alles doch weitaus anmutiger, als ein Mann das könnte.» Cecil Beaton, dem wir einige der eindrucksvollsten Fotos von diesem Tag verdanken, beschreibt Elizabeths prunkende Erscheinung in seinem Tagebuch hübsch süffisant als «Hochzeitskuchen in Bewegung». Wenn man sich in späteren Generationen gegenseitig fragte: Wo warst du bei der ErmordungJohn F. Kennedys? Beim Fall der Mauer? Am Tag von Prinzessin Dianas Tod? Wo am 11. September 2001?, so hieß es nach 1953: Wo warst du bei der Krönung von Queen Elizabeth? Zumal am Tag zuvor noch eine historische Nachricht die Welt erstaunt hatte: die Erstbesteigung des Mount Everest durch den Neuseeländer Edmund Hillary und seinen nepalesischen Scherpa Tenzing Norgay.Auch Christian Dior, berühmter Modedesigner, gab sich berührt und gerührt von dem königlichen Ereignis in London: «Die Krönung der jungen Elizabeth hat nicht nur die Briten, sondern seltsamerweise auch die Franzosen mit neuer Hoffnung, neuem Optimismus für die Zukunft erfüllt.»
Ein «glückhaftes Licht», das «die menschliche Szene erhellt»: Elizabeth II. auf der Fahrt zu ihrer ersten Parlamentseröffnung, 4. November 1952
Dabei war es zunächst alles andere als ausgemacht, dass das Fernsehen bei einer so heiligen, symbolgesättigten Handlung überhaupt anwesend sein könne. Elizabeth stellte sich strikt dagegen – in seiner Anfangszeit galt das «telly» als schrecklich gewöhnlich, eine Vulgarisierung, vor der man das Königtum bewahren müsse. Selbst Philip an der Spitze des Organisationskomitees, sonst Neuerungen gegenüber eher aufgeschlossen, teilte die Abneigung seiner Frau. Der Erzbischof von Canterbury wetterte gegen diese «massenproduzierte Form der Unterhaltung, potentiell eine der größten Gefahren für die Welt». Wenn an irgendeiner Stelle etwas schief gehen würde mit der Zeremonie – sollte das dann live überall verfolgt werden können? Die Berichte über Königin Victorias Krönung anno 1837 machten die Runde, einen berühmten hatte die junge Königin selber aufgeschrieben: wie der 82-jährige Lord Rolle beim Anstieg der Treppen zur Huldigung seiner Herrscherin ins Stolpern kam und herunter purzelte und wie die Königin aufstand und ihm bei seinem zweiten Versuch entgegenkam; oder wie der Erzbischof den eigens für Victorias kleinen Finger gefertigten Krönungsring ihr unter großen Schmerzen auf den vierten Finger nötigte, von wo sie ihn später nur mit Hilfe von eisgekühltem Wasser frei bekam.
Aber die Organisatoren begingen einen Fehler und gaben bereits im Oktober 1952 bekannt, dass es eine Krönung ohne Fernsehen sein solle. Das gab den Medien Gelegenheit zum Protest. Sie drehten stark auf und verurteilten einhellig diese «dumme Entscheidung», sei doch das Fernsehen geradezu prädestiniert, die Verbundenheit zwischen der Krone und den Menschen herauszustellen. An diesem Casus wurde zum ersten Mal und sogleich musterhaft deutlich, wie fast plebiszitär die Medien sich in die Entscheidungen des Hofes einzumischen verstanden und diesen zwingen konnten, sie zu revidieren. Solche Kollisionen zwischen Mediendemokratieund Königshaus sollten Elizabeth zeit ihrer Amtszeit begleiten. Das konnte bis zur Gehemmtheit auf Seiten der Queen führen, wie sich 1997 nach dem Tod der Prinzessin von Wales, ihrer Schwiegertochter Diana, zeigte, als sie für die Erschütterung der Nation zunächst keine
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