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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Annahme, seine attestierte monarchische Treue gebe ihm dafür
carte blanche –
wie er sich irrte! Die Kernpassagen seiner Breitseite muss man Wort für Wort lesen, um zu verstehen, warum sie in der Zeitstimmung von 1957 wie ein Sakrileg wirkten:
    «Crawfie, Sir Henry Marten, die Londoner Saison, Pferderennen, Moorhuhnschießen, Canasta und die gelegentliche königlicheTour – das alles wäre für eine Elizabeth I. nicht gut genug gewesen! Es spricht immerhin für unsere Königin, dass sie trotz ihres beklagenswert ungenügenden Trainings für ihren Job an diesem bisher nicht gescheitert ist. Sie besitzt Würde, Pflichtbewusstsein und – soweit man das beurteilen kann – ein gutes Herz, alles wichtige Aktivposten. Aber wird sie die Weisheit besitzen, ihren Kindern eine Erziehung zu geben, die ganz anders sein muss als ihre eigene? Wird sie vor allem darauf achten, dass Prinz Charles, wenn er heranwächst, mit Kindern zusammenkommt, die eines Tages Busfahrer, Ärzte, Ingenieure usw. werden – und nicht nur mit künftigen Großgrundbesitzern oder Börsenmaklern? Dies sind entscheidende Fragen.»
    Aber dem jungen Lord genügten sie nicht. Er hatte zusätzlich eine wuchtige Kritik parat an dem persönlichen Auftreten seiner Queen, die er ansprach wie ein Lehrmeister:
    «Sie wird keine guten Resultate erzielen, wenn sie weiter in diesem Stil spricht wie bisher, der einem, ehrlich gestanden, auf die Nerven geht. Wie ihre Mutter scheint sie unfähig, auch nur ein paar Sätze ohne einen geschriebenen Text zusammenzufügen. Aber selbst wenn die Königin sich bemüßigt fühlt, alle ihre Reden abzulesen, muss sie wenigstens den Stil verbessern, in dem sie diese vorträgt. Mit ein wenig Übung lassen sich auch vorbereitete Reden mit einem Anschein von Spontaneität halten. Deren Themen brauchen aber viel mehr an authentischer Qualität. George V. zum Beispiel schrieb seine eigenen Reden auch nicht, aber sie kamen bei ihm immer natürlich daher, als Ausdruck des Menschen, der er war. Nicht so die gegenwärtige Königin. Die Persönlichkeit, die bei den Worten herüberkommt, die man ihr in den Mund legt, ist die eines besserwisserischen Schulmädchens, eines Kapitäns der Hockeymannschaft, Schulpräfekten und einer frisch auserwählten Kandidatin für die Konfirmation. So wird sie nie ihren eigenen, unabhängigen und unverwechselbaren Charakter entwickeln können.»
    Fügen wir noch schnell hinzu, was ein späterer Kritiker, Tom Nairn, in seinem 1988 erschienenen Buch «The Enchanted Glass» über das gestelzte
upper-class-
Englisch der Königin sagte, das Ausländern immer als «the Queen’s English» zur Nachahmung empfohlenwurde, während es den Zeitgenossen, in Altrinchams ungnädiger Formulierung, manchmal «auf die Nerven» ging. Nairn nannte Elizabeths Sprache «das ultradestillierte Nebenprodukt aus Salon, Jagdpartie und Londoner Klub».
    Über Lord Altrincham stürzte eine Welt ein, das Blut glühender Royalisten kochte förmlich. Einer von ihnen, ein gewisser Philip Kinghorn Burbidge, Mitglied der Liga der Empire-Loyalisten, versetzte dem Königinlästerer eine schallende Ohrfeige, als dieser nach einem TV-Auftritt (nicht bei der BBC, die hätte nicht gewagt, Altrincham einzuladen) das Studio verließ. Der Richter, der den aufgebrachten Mr. Burbidge zu einer Ordnungsstrafe von 20 Schillingen verdonnerte – ein Pfund, damals 20 DM wert –, zeigte, seine Unparteilichkeit vergessend, viel Sympathie für den Sünder, denn «95 Prozent der Bevölkerung dieses Landes fühlen sich angewidert und beleidigt durch das, was da zu lesen stand». Der Erzbischof von Canterbury schlug Altrincham in Acht und Bann, anonyme Hinterwäldler drohten, ihn zu erschießen oder ihn aufzuhängen und zu vierteilen. Der Lord, inzwischen John Grigg, führte viel später den Sturm der Kritik auf die «schintoistische Atmosphäre» der Nachkrönungszeit zurück, auf eine «unserer nationalen Tradition gänzlich fremde Tendenz, Kritik am Staatsoberhaupt, wie loyal und konstruktiv auch immer gemeint, als Hochverrat abzustempeln».
    Aber auch Mr. Burbidge gab mehr von sich als nur eine Ohrfeige. Ihn hatte besonders der Zeitpunkt des Aufsatzes erbost, August 1957. Es war die Zeit nach der Suez-Krise vom Herbst 1956, in der eine französisch-britische Koalition, in geheimer Absprache mit Israel, gegen das Ägypten Abdel Nassers vorgegangen, aber durch Einspruch der USA im UNO-Sicherheitsrat zum Rückzug gezwungen worden war. Das Suez-Debakel

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