Elizabeth II.: Das Leben der Queen
der Presse; er händigte nur Papiere aus, tägliche Verlautbarungen des Hofes, welche Hoheit wann welches Programm an welchem Ort abzuwickelngedenke und welche Besucher im Buckingham Palast zu erwarten seien. Das druckte die «Times» in ihrem «Court Circular» korrekt nach, sie tut es übrigens noch heute. Diese Papiere durften sich die einzigen beiden damals am Hof akkreditierten Journalisten, von der Press Association und dem Exchange Telegraph Wire Service, abholen und unter gebührendem Gähnen an die übrigen Kollegen weiterreichen. «The abominable No-man», wie die Presse Colville nannte, «der abscheuliche Nein-Sager», gab am Hof die gleiche Vorstellung wie in der großen Politik jener Jahre der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko – «Genosse Njet», wie man ihn nannte, oder «grim Grom» in England, ein ewiger Nein-Sager auf dem Parkett der internationalen Diplomatie.
Colville blockte, wo er konnte, das Beispiel mit der Farbe des Mantels des jungen Prinz Charles wurde hier bereits erwähnt. 1954 veröffentlichte ein ehemaliger Diener des Herzogs von Edinburgh, John Dean, seine Erlebnisse in Buchform und zuvor in Fortsetzungen in einer Zeitschrift – der erste Fall von «doing a Crawfie», von einer Indiskretion à la Marion Crawford, seit deren unautorisierter Publikation von 1950. Bei Dean las man so aufregende Neuigkeiten, wie dass der Duke im Winter lange Unterhosen trage und eine Tinktur benutze, um die Ausdünnung seiner Kopfhaare zu verlangsamen. Das veranlasste den Commander zu einer scharfen Note an den Britischen Presserat, in der er sich beschwerte, dass hier die Privatsphäre verletzt worden sei, auf welche die königliche Familie das gleiche Anrecht habe wie jede andere Familie auch. Doch siehe da: Diesmal, anders als ein Jahr später, als er die Befragung der «Daily Mirror»-Leser zu einer möglichen Heirat von Prinzessin Margaret als «Impertinenz» rügen sollte, wehrte sich der Presserat und ließ den «abominable No-man» abblitzen: «Alles, was die Krone berührt, ist von öffentlichem Interesse» – und seien es Philips lange Unterhosen.
Wir stehen an einem Wendepunkt. Die Einladung an das Fernsehen zu Elizabeths Krönung war wie eine Einladung auch an die Öffentlichkeit, sich mehr und mehr mit der Familie der Monarchin zu beschäftigen, bei der Beliebtheit der jungen Queen einwillkommenes Signal. Doch das ermunterte jetzt auch Kritiker, aus der Deckung zu kommen und einmal die ihrer Meinung nach antiquierte Hofhierarchie aufzuspießen, deren verknöcherte Vasallen und möglicherweise sogar die Figur in der Mitte, die Königin selber.«Endet das neue elisabethanische Zeitalter als Flop?», fragte bereits im September 1956 bissig der «Daily Mirror», mit einer Auflage von 4,6 Millionen (im Juni 1953 waren es sogar sechs Millionen gewesen). Der innere Kreis um den Thron sei «aristokratisch, insular und eingebildet hochnäsig».
Diese Abbildung kann aus lizenzrechtlichen Gründen leider nicht im eBook angezeigt werden.
Elizabeth II. im Ornat des Hosenbandordens, Gemälde von Pietro Annigoni, 1954
Das war die Stunde von Lord Altrincham, der sich nach 1963 John Grigg nannte, als es möglich wurde, den Adelstitel freiwillig abzulegen und als
commoner
seinen Lebensweg fortzusetzen. Altrincham war ein reformorientierter Tory-Peer, der Monarchie ergeben, dabei voller Sorge, dass sie den Anschluss an die Moderne verpassen könnte. Als Hobby gab er ein Monatsmagazin mit kleiner Auflage heraus, die «National and International Review», die der Historiker in ihm meist gänzlich mit eigenen Beiträgen füllte. Schon in der Ausgabe vom Juni 1953 hatte er kritisiert, wie unrepräsentativ die Auswahl der Gäste bei der Krönung in der Westminster Abbey gewesen sei. Die neue Monarchie müsse bei solchen Anlässen einen demokratischeren Publikumsquerschnitt zulassen, auch mit mehr ethnischer Vielfalt als Spiegel des Commonwealth. Erinnert uns das nicht an das Anliegen des Prinzen von Wales aus dem Jahr 1919, die Monarchie «den Menschen näher zu bringen»?
Altrinchams Aufruf von 1953 blieb unbeachtet, etwas anderes war bei der Reichweite seines Magazins auch kaum zu erwarten. Doch für die August-Nummer 1957 legte der Lord nach, und wie: mit Sätzen, die einen Skandal auslösten, welcher bis in unsere Tage nachhallt, mit Argumenten, die bis heute relevant sind. Der 33-jährige Autor beging für damaliges Empfinden eine Ungeheuerlichkeit: Er griff die Queen persönlich an, in der
Weitere Kostenlose Bücher