Elizabeth II.: Das Leben der Queen
bereits.
Versöhnung war das Leitmotiv so manchen Staatsbesuchs Elizabeths bei den germanischen «Vettern». Wir zählen vier – 1965, 1978, 1992 und 2004; als «halben» mag man ihren Besuch in Berlin 2000 werten, als sie angereist kam, um die neue britische Botschaft in der Berliner Wilhelmstraße zu eröffnen, deren klobige Architektur die Kritiker auf beiden Seiten des Kanals nicht überzeugen konnte. Vier Staatsbesuche deutscher Bundespräsidenten in Gegenrichtung komplettieren das Bild. In Europa hat London den bilateralen Beziehungen zu Deutschland immer hohe Bedeutung beigemessen. Wir müssen «London» sagen, nicht «der Hof», weil keiner der Besuche der Queen – die in Deutschland inklusive – ihrer eigenen Initiative entsprang, immer handelt und reist sie nach dem Plan und Kalkül des Foreign Office. Sie macht keine Politik und darf keine machen, und «Ruckreden», zu denen sich ein deutscher Bundespräsident aufraffen mag, sind aus dem Munde des britischen Staatsoberhauptes schlechterdings undenkbar. Es ist die Staatsräson, nicht die Vorliebe der Queen, welche ihre Termine, vor allem die Staatsbesuche, diktiert. Keine Silbe der öffentlichen Reden, die sie dabei hält, stammt von ihr, alles ist vom Außenministerium in Absprache mit der Downing Street festgelegt, die Queen artikuliert die Interessenlage der jeweiligen Regierung. Aber da diese schließlich «Ihre» Regierung ist, «Her Majesty’s Government», versteht es sich umgekehrt von selber, dass im Vorfeld eines Staatsbesuches, ob sie die Reisende ist oder ein ausländischer Gast zu ihr kommt, ein diskreter Austausch stattfindet über die Kompatibilität des jeweiligen Anlasses mit dem Denken der Queen selber.
Diese Kompatibilität war in einem berühmten Fall nicht gegeben, als der Buckingham Palast im Sommer 1978 den rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena als Staatsgäste empfing. Die Regierung von James Callaghan fand diesen Besuch seinerzeit in Ordnung, da man gerne auf Leute setzte, die als Stachel in der Seite Sowjetrusslands galten. Bedingung der Rumänenwar, dass Ceausescu den «Order of Bath» erhalte, eine der ältesten Auszeichnungen, die das Königshaus zu vergeben hat. Elizabeth bekam als Gegenzug den Orden des sozialistischen Rumäniens erster Klasse. Die Satirezeitschrift «Private Eye» brachte damals eine Glanznummer von einer Titelseite heraus, zur Illustration des abgeschmackten diplomatischen Spiels. Den vier Protagonisten, im Erinnerungsfoto festgehalten, wie sie entspannt lächeln und miteinander plaudern, wurden Sprechblasen angedichtet, nach denen Philip zu Elena Ceausescu sagte: «Und hat Ihr Mann irgendwelche Hobbys?» Darauf diese: «Er ist Massenmörder.» Die Queen: «How very interesting.» Elizabeth veranlasste nach 1989, dass der Name Ceausescu aus der Ehrenliste der Empfänger des Bath-Ordens gestrichen wurde. Ihrem damaligen Premier, James Callaghan, hat sie die Peinlichkeit, in die er sie hineingezogen hatte, nie vergeben.
Bei aller Disziplin, die den offiziellen Auftritten der Queen auferlegt ist, strahlt Elizabeth II. ein Fluidum aus, das auch während der dunkelsten Stunden ihrer Familie in den letzten Jahrzehnten nie ganz verloren ging. Das Bild von ihr, wie sie während des Staatsbesuches in Deutschland im Oktober 1992 – ihr
«annus horribilis»
mit all seinen Familienskandalen war bereits kräftig fortgeschritten – in Schloss Augustusburg bei Brühl die Barocktreppe Balthasar Neumanns zum Bankett herunterschwebte, beschrieb ein «ZEIT»-Korrespondent so: «Diadem und Diamanten warfen ihren Lichtschein bis in die Wohnzimmer der Republik. So viel Staat ist hierzulande nur mit einer Königin zu machen. Irgendwo in einem fernen Herzenswinkel muss die Bundesrepublik eine heimliche Monarchie geblieben sein.» Die acht deutsch-britischen Staatsbesuche in beiden Richtungen seit dem Zweiten Weltkrieg sprechen ebenso für ein markantes Kapitel in der Vita der Queen wie für die Zeitgeschichte, in deren Rahmen sie sich abspielten.
Bundespräsident Heuss war im Oktober 1958 der vierte europäische Staatsgast, den Elizabeth II. in ihrer Ära bei sich empfing, nach König Gustav VI. Adolf von Schweden und den StaatspräsidentenPortugals und Italiens. Schon diese Abfolge verrät ein bestimmtes diplomatisches Muster aus privaten und politischen Motiven. Schweden kam 1954 aus Familiengründen zuerst – Gustav Adolfs Gemahlin Louise war eine Tante Philips, Schwester seiner Mutter Alice,
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