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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kielinger
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Fernsehen als Kollaborateur. Sorgen, dass da zu viel «Tageslicht in die Magie» hereinströmen könnte, machte er sich nicht; die Queen und der Herzog waren ja dafür. Philip hatte sogar den enthüllenden Satz fallen lassen: «Wir haben jeden Tag der Woche Wahlkampf», was weit vorausgriff in die politische Moderne, zu den Erkenntnissen eines Bill Clinton und eines Tony Blair, die mit ähnlichen Slogans in den 90er Jahren das Kampffeld Öffentlichkeit für sich und ihre Parteien zu gewinnen hofften. Philip ging von der Erkenntnis aus, dass auch die Monarchie sich verdient machen müsse – eine Umkehrung des Glaubens an das gottgegebene Königtum.
    Überhaupt: Wo lebte man eigentlich? Wollte man in einer Welt der Publicity weiter den Vorhang vor die Windsors ziehen und sie ihrem langweiligen Image überlassen? In der Tat hätte man damals die Royals als das menschliche Pendant zu Henry Fords «Model T» beschreiben können, auf dem königlichen Fließband produziert, immer die gleiche Form. Aber letztlich eine Karosserie ohne Motor, ohne Leben. Es musste die kalte Fassade von Autorität und Distanz durch den Eindruck der Häuslichkeit, des Fleißes und der familiären Entspannung ersetzt werden.
    Das hieß: Man brauchte einen Film, eine Fernsehdokumentation über die königliche Familie, wie sie war beziehungsweise wie sie sich gerne dargestellt sah – beim Frühstück, am Kamin, auf Balmoral, in der Freizeit, beim Picknick, bei der Begrüßung ausländischer Gäste. 105 Minuten lang lief im Sommer 1969 die Farbdokumentation «Royal Family» über die britischen Bildschirme, ein Riesenerfolg. Monatelang hatten der Produzent Richard Cawston und sein Aufnahmeteam die Herrschaften begleiten dürfen, eine harte Probe selbst für den Prinzgemahl, der doch zusammen mit dem Pressesekretär die treibende Kraft des Ganzen war. «Don’tbring your bloody cameras so close to the Queen», echauffierte sich Philip mehrmals gegenüber dem Produzenten. Ein hilfloser Reflex: Nahe an die Königin und ihre Familie hatte ja der ganze Film kommen sollen, es war seine einzige
raison d’être.
Marion Crawford in ihrem Häuschen in Aberdeen muss sich gewundert haben: Was hier alles in einer Art Do-it-yourself-Crawfie aufgetischt wurde! Sie aber hatte sich mit einem ähnlichen Blick hinter die Kulissen ewige Verdammnis eingehandelt. Andere Zeiten – eine ungerechte Welt.

    Doch mit dem Film, das sollte sich später herausstellen, war ein Präzedenzfall geschaffen, oder besser: ein Sündenfall passiert, der die kommenden Spannungen zwischen dem Hof und den Medien vorwegnahm. «Supping with the devil», sagt man dazu im Englischen – wer erst einmal mit dem Teufel zu Abend speist... Warum sollten die Fernsehreporter künftig, wenn sie ihre Kameras in Anschlag brachten, die Bildausschnitte nur zu Konditionen des Hofes empfangen? Der Versuch der Royals, sich als populär anzubieten, brachte sie in Abhängigkeit von dem Verkäufer dieser Ware, dem Medienhändler. Der würde mehr wollen, jetzt, wo der Appetit geweckt war. In Londons «Evening Standard» schrieb der Kritiker Milton Shulman: «Wir haben Glück, dass die königliche Familie zur Zeit ein freundliches Bild abgibt. Aber war es klug, die TV-Kameras als Imagemacher des Königshauses einzusetzen? Jede Institution, die bisher versucht hat, das Fernsehen zur Popularisierung oder Selbsterhebung heranzuziehen, fand sich am Ende vermindert und trivialisiert wieder.» Mit anderen Worten: Die Fernsehdokumentation «Royal Family» weckte bei manchen Zeitgenossen eben doch die alten, schon 1953 vorgetragenen Bedenken, namentlich die Sorge vor einer Vulgarisierung der Monarchie. Auch spielte die königliche Familie mit ihrer Modellhaftigkeit einen Trumpf aus, der zum Bumerang werden musste: Was, wenn die Brut älter und der Modellcharakter unter den Irrungen und Wirrungen des Heranwachsens einstürzen würde?
    Aber aus dem Dilemma gab es kein Entrinnen: Sich einigeln als Institution, die Respekt forderte, war unter dem Ansturm der voyeuristischen Fernsehgesellschaft keine Lösung. Indem man sich dem Trend zur Popularisierung geöffnet hatte, hatte man den Geist aus der Flasche gelassen. Schon hatte sich Rupert Murdoch, der australische Pressezar und Meister des Boulevards, in Stellung gebracht, hatte 1969 die «News of the World» und die «Sun» gekauft und begonnen, mit einem dezidierten Anti-Establishment-Kurs zu spielen. Die britische Klassengesellschaft war ihm fremd, abfällig meinte er,

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