Elizabeth II.: Das Leben der Queen
ihr in seiner engeren Heimat die Burg Teck zeigen, wo die Ahnen von Queen Mary saßen: «Es fließt auch schwäbisches Blut in Ihren Adern, Majestät!» Die Queen mag sich dabei gefragt haben, wie viele Blutlinien man noch in ihrem Stammbaum ausfindig machen wolle. Später, beim Empfang des Lord Mayor, des Bürgermeisters der Londoner City, erinnerte Heuss an seinen ersten London-Besuch im Jahr 1911 – «damals konnte man sich einen ernsthaften Konflikt zwischen unseren beiden Nationen kaum vorstellen». Dann wurde er ernster, sprach von der «Teilung des Hauptstadt Berlin», die «keine Sache deutscher Sentimentalität» sei, sondern ein Hindernis schlechthin «für eine innere seelische und sachliche Befriedung Europas». Das war dem zitierten Oxford-Professor Alan J.P. Taylor ins Stammbuch geschrieben.
Ein herzliches Verhältnis unterhielt Konrad Adenauer zur Queen, in deren Gegenwart er alle Sorgen vergessen konnte, die ihn sonst in Bezug auf die britische Politik während der 50er Jahre plagten. Aus Anlass eines Gipfeltreffens zwischen ihm und Premierminister Harold Macmillan im Jahr des Staatsbesuches von Theodor Heuss gab Elizabeth auf Schloss Windsor ein Bankett für den deutschen Gast, der sich dafür von seiner Sekretärin Anneliese Poppinga ein paar Brocken Englisch hatte beibringen lassen. Regierungschef Macmillan notierte sich später: «Der alte Kanzler saß zwischen den Königinnen [der Queen und der Queen Mother] und flirtete mit beiden.»
In den Annalen der deutsch-britischen Beziehungen unter Elizabeth II. kommt freilich ihrem Besuch in der Bundesrepublik vom 18. bis 28. Mai 1965 die überragende Bedeutung zu. Es war der erste Staatsbesuch eines britischen Monarchen in Deutschland seitEdwards VII. Visite im Jahr 1909; dessen Sohn George V. hatte 1913 zusammen mit seiner Frau, Queen Mary, zur Hochzeit der Kaisertochter Victoria Luise von Preußen nur inoffiziell noch einmal den Weg nach Berlin gefunden. Elizabeths Reise war mehr als ein Staatsbesuch unter vielen, er galt schon damals als ein historisches Ereignis, allein aufgrund seiner Länge: Noch nie bis dahin und niemals wieder seither hat die Queen sich für irgendein anderes europäisches Land elf Tage frei gemacht für einen Besuch. Solche Dauer kennt man nur von ihren Ausflügen ins Commonwealth, die manchmal Wochen oder gar Monate dauerten.
Elizabeth II. (geb. 1926) und Konrad Adenauer (geb. 1876) auf Schloss Windsor, 16. April 1958 (Foto: KEYSTONE Pictures USA/eyevine)
Auch in der Geschichte der noch jungen Bundesrepublik stellte der Besuch des königlichen Gastes die längste, prächtigste – zugleich teuerste – diplomatische Aufführung dar. Die Queen unternahm eine Reise durch das gesamte Gebiet der Republik, mit Stationen in Bonn, Koblenz, einer Rheindampfertour vorbei an der Loreley bis nach Kaub, dann Wiesbaden, München, Stuttgart, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Berlin, Hannover und Hamburg, nebenkleineren Kommunen am Weg, den man meist auf Schienen absolvierte; dafür hatte die Regierung die Salonwagen des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers, nebst einem Schlafwagen für das Begleitpersonal, zu einem Sonderzug zusammengestellt. Ein Mammutprogramm, von der Queen mit Fleiß und Pünktlichkeit erfüllt – Sekundärtugenden, die manche Zeitungen auf das deutsche Erbe des Staatsgastes zurückzuführen beliebten. Im Vorfeld hatte die Queen wissen lassen, wie sehr sie sich darauf freue, «Menschen aus allen Teilen der Bevölkerung» kennen zu lernen. Das war keine Floskel, wie sich zeigen sollte. Die Bundesrepublik hatte Glück mit der Monarchin, die sich in gelöster Laune zeigte, strahlend in ihren noch jungen Jahren. Dabei war Elizabeth als Teenager dazu erzogen worden, das Land ihrer Vorväter zu hassen, dem vor allem ihre Mutter nur mit großer Reserve begegnete – ein Bruder der Queen Mother war im Ersten Weltkrieg gefallen, ein zweiter schwer verwundet worden.
Bundespräsident Heinrich Lübke gab in seiner Begrüßungsrede auf Schloss Brühl den geschmeichelten Gastgeber, der den Besuch deutete als «ein Zeichen wachsenden Vertrauens zu unserem Volk. Es hat unseres Erachtens seinen Willen zur Wiedergutmachung auf eindrucksvolle Weise bekundet und zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben der freien Welt in hohem Maße beigetragen.» Solches Lob hätte man eigentlich aus dem Munde des Gastes erwartet, aber als Eigenlob ist es für den Historiker weit sprechender, illustriert es doch das Hochgefühl einer
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