Elizabeth - Tochter der Rosen
Perkin als den Ehemann trauerte, den sie liebte, und den Vater des Kindes, das sie wohl niemals wiedersehen würde. Ihr Verlust war unendlich größer als meiner nach Bosworth. Dennoch erinnerte ich mich nach all den Jahren, wie sehr ich um Richard getrauert hatte und wie schwer es für mich gewesen war.
Um mich herum wurde die Burg nur zaghaft wach. Stimmen und Schritte klangen gedämpft, als bewegte sich jeder auf Zehenspitzen. Ich blieb in meinen Gemächern und gab Weisung, dass ich nicht gestört werden wollte. Doch am Abend kam Kate zu mir.
»Der König ist hier und will dich sehen.«
»Ich will ihn nicht empfangen«, erwiderte ich.
»Was soll ich ihm sagen?«
»Sag ihm, ich bin indisponiert und weiß nicht, wann ich wieder wohlauf sein werde.« Dann ging ich zu meinem Betstuhl und neigte den Kopf zum Gebet für Perkin. »O Christus, mein Gott, o Christus, meine Zuflucht! O Christus, König und Herr, sei ihm gnädig! Vergib ihm seine Verfehlungen und behüte seine Seele im Schatten Deiner Flügel! Zeige ihm Deine Güte!«
Den nächsten Tag betete ich wieder, wie am darauffolgenden und dem danach. Denn neben mir kauerte der Tod und wartete. Ich fürchtete mich vor dem Schlaf, weil mich schreckliche Träume plagten, und vor dem Wachsein, weil mich meine Gedanken quälten. Ich bat Kate, bei mir zu bleiben und am Abend mein Bett zu teilen. Als sie zustimmte, umarmte ich sie dankbar.
»Ach, Kate, Kate – wie anders wäre es, hätte König Richard länger gelebt!« Ich weinte und sprach erstmals im Leben meinen größten Kummer aus. »Ich vermisse ihn schmerzlicher mit jedem Jahr, das vergeht.« Es war gefährlich für mich, solche Dinge laut zu sagen, und für Kate, sie zu hören. Meine Kraft versiegte. Ich ließ meine Schwester los und sank auf einen Stuhl.
Kate legte eine Hand auf meine Schulter. »Wie du all das ertragen hast, ist mir ein Rätsel.«
»Arthur«, murmelte ich und umklammerte ihre Finger.
~
Mein Cousin Edward, das Kind, das ich gekannt und geliebt hatte, starb fünf Tage nach Perkin, am achtundzwanzigsten November 1499, um zwei Uhr mittags durch das Beil des Henkers. Er wurde von zwei Wachen zum Tower Green geführt, wo die Hinrichtung ohne Publikum stattfand. Es war niemand da, der zusah, ihn tröstete und um ihn weinte. Kaum dass er für tot erklärt wurde, färbte sich der Himmel schwarz, und ein Regen begann, der nicht wieder aufhören wollte. Sturmböen und krachender Donner rüttelten an den Palastfenstern. Ganz England wurde überflutet. Es war, als trauerte der Himmel selbst.
Eine große Verzweiflung senkte sich über mich. Inmitten der vergoldeten Gobelins meines Gemachs legte ich mich hin. Nach Perkins Tod hatte ich Catherine Gordon ein Stundenbuch geschenkt, doch wer war noch übrig, der mit mir um den armen kleinen Edward trauern konnte? In den vierundzwanzig Jahren seines Lebens hatte es weniger als zwei gegeben, in denen er frei über Felder und Wiesen hatte laufen dürfen, und das war, als Anne und Richard ihn in ihre Familie aufgenommen hatten. Alle, die ihn geliebt hatten, waren nun tot. Er war, wie König Richard und Johnnie of Gloucester, in eine Katastrophe hineingeboren worden.
O Richard, wenn du vorausgesehen hättest, was folgen würde, hättest du dann trotzdem dein Leben weggeworfen?, weinte ich stumm.
Aber auch mich traf Schuld an dem Blut, das seit Bosworth geflossen war. Wäre ich aus Sheriff Hutton geflohen, hätte kein Tudor König bleiben können, und nichts von alldem hier wäre geschehen. Doch ich war so blind vor Verlust und Kummer gewesen, dass ich dem irrigen Glauben verfallen war, ich könnte die Nation retten. Und ich war geblieben.
Ich hasste diese neue Welt, die zu erschaffen ich mitgeholfen hatte. Sie war ein Furcht einflößender, finsterer Ort, an demdas uneheliche Kind eines Kammerdieners König sein durfte und den Sohn eines Königs zum Verrätertod verurteilte. Hatte das Schicksal schon einmal einen böseren Streich ersonnen? Ich konnte beinahe hören, wie es lachte.
Die Nation retten.
Welche Arroganz!
All die Jahre bestraft Gott mich für meine Sünde, den Stolz, und erst jetzt begreife ich es, dachte ich.
In der Nacht träumte ich von Richard auf seinem weißen Pferd, wie er mit funkelnder Krone aus dem Schatten und dem Nebel auf mich zugeritten kam. Anstelle einer Rose jedoch hielt er eine Schlachtaxt in der Hand. Ich schrak mit einem Schrei aus dem Schlaf.
»Was ist?«, fragte Kate und nahm mich in die Arme.
»Ein Traum.« Ich
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