Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elizabeth - Tochter der Rosen

Elizabeth - Tochter der Rosen

Titel: Elizabeth - Tochter der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
Vom Netzwerk:
durch die Straßen nach Tyburn gezogen werden, wo der Henker   ...«
    »Harry!«, rief ich. »Wie kannst du es wagen, mir nicht zu gehorchen? Was habe ich dir gesagt, als ich dich das letzte Mal hier drinnen entdeckte?«
    »Mutter, ich bin nicht ungehorsam. Diesmal sitze ich nicht auf dem Thron.« Er betrachtete mich mit seinem engelsgleichen, unschuldigen Gesicht.
    Für einen Moment fehlten mir die Worte. »Sei es drum, ich verbiete dir, solche Spiele zu spielen. Du darfst gehen.«
    Die Kinder huschten aus dem Saal. Mein Kopf pochte, und ich nahm wieder Arthurs Arm. »Du wirst auf Harry achtgeben müssen«, flüsterte ich ihm zu.
    »Nein, Mutter. Dies sind nur Jungenspiele. Er wird ihnen entwachsen.«
    Arthurs Worte beruhigten mich nicht. Harry lernte nicht bloß durch Henrys Taten, unbarmherzig zu sein, sondern auch von Skelton und Morton und ganz besonders von Margaret Beaufort, die ihn vergötterte und ihm die abwegigsten Dinge einredete. Gegen sie alle war ich machtlos.
    Ich schob diese schrecklichen Gedanken von mir. Dies war meine kostbare, viel zu kurze Zeit mit Arthur, die ich nicht vergeuden wollte. Leise plaudernd schritten wir durch die Korridore. Bis ich wieder wahrnahm, wo wir uns befanden, standen wir vor dem Kinderzimmer.
    Der zehn Monate alte Edmund blickte zu uns auf. Er war von Ammen umgeben. Nun krabbelte er auf uns zu. »Mama, Mama!«, rief er. Dann bemerkte er Arthur und guckte ihn mit seinen großen, kornblumenblauen Augen an. »Dah?«, fragte er, hielt sich mit einer Hand an meinen Röcken fest und zeigte mit der anderen auf Arthur.
    Arthur lachte herzlich. »Das heißt gewiss: ›Wer bist du?‹ Stimmt’s, Mutter?«
    Ich quoll über vor Liebe und lächelte ihn an. »Gewiss.«
    Arthur kniete sich halb hin und grinste. »Edmund, hübscher Bruder, es ist Zeit, dass du den Ältesten deiner Geschwister kennenlernst. Wie ist es dir ergangen? Du stellst hoffentlich eine Menge Unfug an, was?« Er wuschelte seinem Bruder durch das weizengelbe Haar, hob ihn hoch und warf ihn in die Luft. Edmund wirkte zunächst erschrocken, doch nachdem Arthur ihn aufgefangen und wieder hingesetzt hatte, streckte er die Arme aus, um nochmals hochgeworfen zu werden.
    Edmunds Kinderfrauen lachten und beäugten meinen schlaksigen, dunkelhaarigen Sohn voller Bewunderung. Er ist fürwahr gut aussehend, und die spanische Prinzessin darf sich glücklich schätzen, dachte ich, wobei mir allerdings ein Stich durchs Herz fuhr.
    Wir verabschiedeten uns von ihnen und machten uns auf den Weg zu Henrys Gemächern.
    Ich wollte ihn nicht sehen. Am liebsten hätte ich ihn überhaupt nie wiedergesehen, nur war das nicht möglich. Ich musste meinen Frieden mit ihm machen und irgendwie weiterleben.
    Als wir uns seinen Räumen näherten, verstummte ich. Er saß vornübergebeugt an seinem Tisch und schrieb in sein kleines schwarzes Buch. Ich blieb zurück, als Arthur ins Zimmer schritt und munter rief: »Vater!«
    Henry blickte auf. Sogleich leuchteten seine Augen vor Freude auf. Er legte sein Buch weg und schob den Stuhl zurück. Von der Tür aus starrte ich ihn entgeistert an. Seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er um zwanzig Jahre gealtert. Er war jetzt zweiundvierzig, wirkte jedoch wie ein Sechzigjähriger. Sein Haar war weiß geworden, und er hatte viel an Gewicht verloren. Seine knochigen Wangen waren eingesunken, seine Stirn von tiefen Linien zerfurcht und sein Mund und seine Augen von Falten umrahmt, die vor einem Monat noch nicht da gewesen waren. Noch in diesem Sommer hatte er oft Tennis gespielt und war sehr beweglich gewesen; jetzt hingegen stand er gebeugt und musste sich mit einer Hand auf den Tisch stützen.
    Er ist ein alter Mann!, ging es mir durch den Kopf, und ich bekam Mitleid mit ihm. Er hasst, was er getan hat, und er trauert. Ich drückte eine Hand auf meinen Mund, um den Schrei zu ersticken, und diese Bewegung erregte Henrys Aufmerksamkeit. Der Blick, den er mir zuwarf, war voller Pathos. Er streckte seine Rechte nach mir aus und bat mich eindeutig um Vergebung. Ich ging zu ihm.
    Henry war kein böser Mann, nur einer, der böse Dinge getan hatte.
    Um den Frieden zu wahren.
    Um seine Krone zu behalten.
    W ar das nicht etwas anderes?
    Aber worin lag der Unterschied?
    Es war alles zu viel für meinen armen Verstand. Es ist an Gott, über ihn zu urteilen, und kommt mir nicht zu , dachte ich . Ich konnte lediglich für Henry beten, wie ich für seine Opfer betete. Ich drehte mich zu Arthur und gab ihm meine Hand. Er

Weitere Kostenlose Bücher