Elizabeth - Tochter der Rosen
Zufall war. Hinter Henry standen Parron und Skelton, und hinter den beiden wiederum standen Margaret Beaufort und Kardinal Morton, die an den Fäden ihrer Marionetten zogen und ihr Handeln von Schwarz in Weiß verwandelten, bis jedermann glaubte, dass ihr Tun von Gott selbst bestimmt war.
Ich stand auf und trat ans Fenster. Dicke Eisblumen zierten die Scheiben, sodass ich nichts sehen konnte. Hinter mir wurden Pergamente gefaltet, Stift und Tinte eingepackt und schließlich eine Tür geschlossen. Ich drehte mich nicht um, sondern blickte blind auf einen kleinen Krug mit den verwobenen weißen und roten Rosen auf einer Truhe am Fenster und fragte mich: Wäre ich vor vielen Jahren aus Sheriff Hutton geflohen, hätte sich dies hier jetzt ereignet?
Henry erschien neben mir. »Verstehst du, dass es sein muss?«
»Nein, ich verstehe es nicht.«
»Hast du ihm nicht zugehört?«, fragte Henry streng.
Ich sah ihn an. »Ich habe ihm zugehört, aber ich lasse michnicht zum Narren halten. Genauso wenig wie du. Du willst, dass ich gutheiße, was du Warwick antun willst, der sich nie gegen dich versündigt hat und den du seit seiner Kindheit einkerkerst. Ich kann das nicht gutheißen. Es ist böse, ganz gleich, was dieser Astrologe behauptet.«
»Bei Gott, Elizabeth, du machst es mir nicht leicht!« Er knallte die Faust auf die Holztruhe. »Es ist entweder Edward oder Arthur! Töten oder getötet werden. Einer muss sterben, damit der andere leben kann. Es darf nicht zwei Thronanwärter in einem Land geben. Das solltest du doch am besten wissen.«
Im Geiste sah ich den kleinen Edward vor mir, von Wachen umringt, wie er im Tower verschwand, und ich hörte, was mein Vater vor langer Zeit sagte: Manchmal muss ein König Dinge tun, von denen er weiß, dass sie falsch sind, und die ihm verhasst sind. Um des Friedens willen.
»Lass mich bitte allein, Mylord! Ich möchte nichts mehr hören.« In meiner Trostlosigkeit schloss ich die Augen und lehnte meinen Kopf an den kalten Stein des Fensterrahmens.
Henry stampfte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Ich blickte wieder zu der Vase mit den verschlungenen Rosen, und all die Gefühle, die ich mit schierer Willenskraft zurückgehalten hatte, brachen aus mir heraus. Ich packte den Blumenkrug und schleuderte ihn gegen die Wand.
~
Die Wege im Park von Westminster waren noch von Frost gesäumt. Als wir im Sonnenzimmer bei Fackellicht mit Harry würfelten, kam Nachricht von einem jungen Mann an der Grenze von Norfolk, der behauptete, dass Edward, Earl of Warwick, aus dem Tower entkommen sei.
»Er ist ein Bursche namens Ralph Wulford, der jüngere Sohneines Schuhmachers in Bishopsgate, Euer Gnaden. Abgesehen von einem Priester, der seine Sache predigte, hat er keine Anhänger«, berichtete der Spion.
»Ergreift ihn und hängt ihn wegen Hochverrats«, befahl Henry.
»Henry, ich bitte dich, bedenke es noch einmal!«, flehte ich. »Welche Bedrohung kann er schon sein?«
Wütend richtete Henry sich auf. »Die Aufstände hören nie auf! Geht diese Prozession von Prätendenten denn ewig weiter? Soll ich wie Richard enden, meiner gesamten Besitztümer beraubt? Mich schert dieser Bursche nicht, auch nicht, dass er keine Anhänger hat. Er muss hängen – hängen, bis er verrottet ist!« Henry blickte zu Harry, ehe er wieder mich ansah. »Denk nach, Madame. Ist es dies, was du dir für deinen Sohn wünschst?«
Ich hielt eine Hand an meinen pochenden Kopf.
Wochen später, als der April längst erblüht war, kam ein Waffenknecht zu Henry.
»Sire, Wulford wurde an einem Galgen bei St. Thomas Watering aufgeknüpft. Er baumelt dort schon wochenlang in Hemd und Hose. Der Gestank ist so bestialisch, dass sich Passanten beklagen. Mein König, erlaubt Ihr, dass wir den verwesten Leichnam herunternehmen?«
Henry nickte.
Ungefähr zu dieser Zeit teilte Henry mir erzürnt mit, dass Cecily einen einfachen Ritter aus Lincolnshire namens Thomas Kyme geheiratet hatte und mit ihm auf die Isle of Wight gezogen war, ohne seine königliche Erlaubnis einzuholen.
Ich legte mein Stundenbuch ab und stand auf. Mir war unbegreiflich, was ich hörte. »Das ist nicht möglich! Cecily liegt viel zu viel an Reichtum und Rang, als dass sie einen einfachen Mann heiraten würde.«
»Nun, sie hat. Fürderhin wird sie sich weder um Reichtum noch Rang sorgen müssen, denn ich konfisziere ihre Ländereien. Und sie ist bei Hofe nicht mehr willkommen.«
Ich wusste nicht, was ich von Cecilys Heirat halten
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