Elke und ihr Garten
aufrichtigen
Überzeugung, daß Elke es nötig hatte, ein bißchen mehr nachzudenken über das
Leben.
Der Junge hatte sich in einem der
beguemen Sessel vorm Kamin niedergelassen und blickte in das schwärzlich
angeräucherte, dunkle Feuerloch, als wenn er einem wer weiß wie schönen Flammenspiel zuschaute.
„Ach, hier steckst du!“ Elke trat
jetzt lachend neben ihn. „Ein feiner Platz, nicht? Besonders, wenn man im
Winter kalte Füße hat! Komm jetzt bitte mit hinauf ins Obergeschoß! Meine
Eltern zeigen deinem Vater jetzt da oben alles.“
Achim erhob sich seufzend. „Ach, Elke
— —“, sagte er richtig etwas wehmutsvoll.
„Ja, sei man nicht so faul!“ erwiderte
Elke.
Oben im ersten Stock fand Achim
natürlich vor allem Gefallen an Elkes Zimmer. Die Aussicht aus dem Fenster
erklärte er für „paradiesisch“, und ihren neuen kleinen Schreibtisch aus
mattpoliertem, hellbraunem Ahorn fand er so hübsch, daß es ihm unbegreiflich
schien, daß Elke so ungern Briefe schrieb, wie sie sagte.
Onkel Hannes, Achims Vater, blieb nur
einen Tag in Hemmelwarde, und es wurde abgemacht, daß er seinen Sohn in
viereinhalb Wochen wieder abholen würde. „Erst in viereinhalb Wochen!“ dachte
Elke.
Aber es ging dann doch alles sehr gut.
Achim benahm sich überaus ritterlich und war mit allem einverstanden, was zu
seiner Unterhaltung unternommen wurde. Er schwamm, paddelte und spielte Tennis,
wenn es von ihm verlangt wurde, — — übrigens spielte er noch schlechter als
Elke, was eigentlich kaum möglich war! — und wenn er mit nach Hamburg fahren
mußte, um den Hagenbeckschen Tierpark, den Hafen, den Elbtunnel, die Alster,
Blankenese anzusehen, so tat er das auch gern, vorausgesetzt natürlich, daß
Elke mitkam, aber sie kam auch immer mit.
Achim gewann es sogar über sich, Elke
bei der Gartenarbeit zu helfen, obgleich er die haßte.
„Nein, er ist doch anders als früher!“
stellte Elke schließlich bei sich fest und beschloß, selbst auch anders zu
sein. Sie wollte bei seinen Unterhaltungen wirklich besser zuhören und nicht
immer gleich denken, wie er mal wieder „tönte“. Mit „Tönen“ bezeichnete Elke
Achims wirklich etwas übertriebene Art, jedem Gespräch einen möglichst
großartigen Anstrich zu geben.
Aber Elke war nun einmal keine
Lammsnatur; ihre besten Vorsätze verschlugen oft wenig.
Heute nachmittag saßen Achim und sie auf der Bank vor dem Tirolerhäuschen, und sie bekam auseinandergesetzt,
daß das Meer viel schöner sei als das Gebirge. Achim war sechsmal an der See
und einmal in Garmisch-Partenkirchen gewesen, er mußte es also beurteilen
können! Seiner Meinung nach waren alle tiefen Menschen — das Wort „tief“
bevorzugte er — von der See mehr begeistert als vom Gebirge. Das Meer wühle die
Seele auf, „und das brauche der Mensch“, meinte er. Wahrscheinlich hatte er das
irgendwo einmal gelesen.
Elke hatte darüber nichts gelesen, —
jedenfalls erinnerte sie sich dessen nicht — sondern sie dachte ganz einfach an
ihren Onkel Bernhard und an ihren Bekannten, Doktor Falkner; die liebten beide
die Berge über alles. Die nahmen wochenlange Strapazen auf sich, um die hohen
Gipfel zu besteigen, die sie liebten. Was taten dagegen die Menschen, die an
der See waren? Die badeten und lagen im Sande herum, und das war alles!
Achim sprach weiter von dem
eigenartigen Zauber, den weite Wasserflächen auszuüben vermögen. Gewiß, er
hatte recht , und es stimmte auch durchaus, daß viele
große Dichter derselben Meinung waren wie er, aber Elke wurde dadurch nicht
bereiter, seinen Gedanken zuzustimmen. Sie hielt es sogar schließlich nicht
mehr aus, ihm nicht offen und sehr ungeduldig zu widersprechen.
„Ich weiß nicht, warum du immer über
das Hochgebirge herziehst’ 1 , sagte sie. „Gestern auch schon. Du
kennst es doch kaum! Du bist einmal mit der Bahn auf die Zugspitze
hinaufgefahren, — das ist doch überhaupt nichts!“
Achim war gegen diesen Einwand
gewappnet. „Man braucht nicht alles ein dutzendmal gesehen zu haben, um es
beurteilen zu können!“ antwortete er. „Besonders, wenn man wie ich über all so
was viel gelesen hat!“
Wenn Elkes Bruder Jens diesem Gespräch
zugehört hätte, würde er sicher gesagt haben: „Mein lieber Achim, ein bißchen
eingebildet ist ja ganz nett —
Aber Elke wollte nicht, daß es zu
einem Zank kam, und sie erwiderte deshalb nur: „Wir brauchen uns nicht zu
streiten. Du fährst am liebsten an die See und ich am liebsten ins
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