Elke und ihr Garten
als mittelgroßer — Vater, seine Bewegungen waren längst nicht mehr
so nachlässig wie früher, und sein Gesicht, das seinerzeit eine so unangenehme
Neigung zu allerlei überflüssigen Verzerrungen gehabt hatte, hatte einen
gesetzten Ausdruck angenommen. Dumm hatte er ja nie ausgesehen, dazu war seine
Stirn zu hoch und der Blick seiner Augen zu aufmerksam. Er trug das Haar glatt
gescheitelt.
„Schön, daß du da bist!“ Elke drückte
Achim kräftig die Hand.
„Ja, ich freu mich auch.“ Achim rückte
den Schlips zurecht.
„Wir können allerlei zusammen
unternehmen“, meinte Elke.
„Das können wir!“ Achim lächelte
zuvorkommend. Im Grunde seines Herzens war er aber durchaus nicht so sehr
dafür, viel zu „unternehmen“, er wünschte vielmehr, seine Freundschaft mit Elke
zu „vertiefen“, und das hoffte er dadurch zu erreichen, daß er Gespräche über
Bücher, Gedichte und allerlei wichtige Lebensfragen mit ihr führte. Sein Wunsch
ging dahin, daß sie nebeneinander im Liegestuhl liegen, miteinander Boot fahren
und allenfalls noch schöne einsame Spaziergänge zusammen machen möchten.
„Wir können paddeln, schwimmen, Tennis
spielen — wozu du gerade Lust hast!“ plauderte Elke weiter. „Außerdem gibt es
hier in Hemmelwarde auch einen Reitstall, der sehr gute Pferde hat. Wenn wir
vielleicht mal zusammen ausreiten wollen — es ist alles da, was unser Herz
begehrt!“
Ali hatte die Ankömmlinge jetzt
bemerkt und schoß mit wütendem Gebell auf Achim los.
„Aber nein — du kennst Achim doch.
Pfui, schäm dich!“ schalt Elke ihren Hund aus. Der stellte darauf wirklich
seinen Krach ein, klemmte die Rute an den Körper und schien seine Unhöflichkeit
dadurch wiedergutmachen zu wollen, daß er sich bei Achims Vater hochstellte.
Natürlich hinterließen seine Pfoten dabei erdige Spuren auf Herrn Wendels
Anzug. Achim trat herzu und klopfte seinem Vater diese Spuren sorgfältig ab.
Das war nur nett und aufmerksam von
ihm, aber Elke dachte: „Achim ist noch genau derselbe Ordentliche wie früher.
Er wird nachher sicher entsetzt sein über meinen Garten, weil er nicht ganz so
unkrautfrei ist, wie er sein sollte!“ Sie war in den letzten drei Wochen allzu
vieler Schularbeiten wegen nur wenig zur Gartenarbeit gekommen. Sie hätte ja
den Gärtner Westphal bitten können, daß er ihre Beete und Wege so sauber
machte, daß sie dem erwarteten Gast nicht mißfielen, aber sie sah nicht ein,
warum sie das tun sollte. Wo war denn der Garten, den Achim selbst in Ordnung
hielt? Sie hatte sich vorgenommen, in den großen Ferien wieder viel in ihrem
Gartenland zu arbeiten, und dabei blieb sie. Mochte Achim vorher ruhig sehen,
daß er ein bißchen verwildert war!
Aber Achim verzog nachher bei dem
Rundgang keine Miene über Elkes „Wildwestecke“, wie
sie sich selber ausdrückte. Er schien das auf den Kieswegen und Beeten
wuchernde Gras überhaupt nicht zu sehen, sondern bewunderte nur die vielen
schönen roten Phloxe, die Elke in ihrem Staudenbeet hatte und die dicht vorm
Aufblühen standen. Er schwärmte für Rot und hatte schon befürchtet, daß Elke
nur gelbe und blaue Blumen haben würde; sie hatte einmal gesagt, daß sie gelbe
und blaue am liebsten möchte.
Elke war froh, daß Achim keine
abfällige Bemerkung über ihren Garten machte, denn sie hatte ihrer Mutter
versprochen, daß sie alles tun wollte, damit die Ferien friedlich und schön
verliefen, und sie hatte auch selbst den Wunsch, daß Achim sich in Hemmelwarde
so wohl fühlen möchte, wie sie sich vor vier Jahren im Sonnenhof gefühlt hatte,
aber •— ja, sie ärgerte sich selbst darüber, doch es war so: Achim hatte irgend
etwas an sich, das sie widerborstig machte. Wenn er jetzt angefangen hätte,
über ihren Garten zu spotten, dann hätte sie sicher gleich heute, am ersten
Tag, den Mund nicht halten können!
Nach der Besichtigung des Gartens
wurde ein Rundgang durchs Haus angetreten. Viele große und hohe Zimmer wurden
durchschritten, und der aus roten Backsteinen gemauerte Kamin in der ziemlich
großen Eingangshalle begeisterte Achim sehr. Wie war es nur möglich, daß Elke
in ihren Briefen diesen Kamin nie erwähnt hatte! Sie schien wirklich sehr
prosaisch veranlagt zu sein. Gut, daß er sich sowieso vorgenommen hatte, ihr
viele Gedichte vorzulesen. Elke würde dadurch hoffentlich ein bißchen
nachdenklicher werden.
Ja, nachdenklicher, das war der
Ausdruck, den Achim in seinen Gedanken gebrauchte. Er war der
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