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Elke und ihr Garten

Elke und ihr Garten

Titel: Elke und ihr Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Gündel
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aus.
    Aber dann strafften ihre Züge sich
wieder, und sie sagte lächelnd: „Du hast mir so geduldig zugehört. Du hast aber
sicher gar nicht alles so verstehen können, wie ich es meinte —.“
    „Doch — verstanden hab’ ich es. Ich
hab’ alles verstanden“, sagte Elke. Und mehr sagte sie nicht. Sie fragte nicht
einmal danach, zu welchem Beruf Frau Seyderhelm ihr denn raten würde. Sie saß
mit halboffenem Mund da und schien eine Amsel zu beobachten, die unter der
Blaumeiseneibe nach Regenwürmern suchte.
    Frau Seyderhelm hätte gern noch
gesagt: „Sieh, Elke, du bist so erfüllt von Kraft und Eigenwilligkeit, das ist
schön. Bleib so! Aber bleib auch so lieb und gut, wie du jetzt bist! Ich bitte
dich darum!“
    Aber das sagte Frau Seyderhelm nicht,
sie dachte es nur und kam nicht wieder auf ihre Worte von vorhin zurück.
    Ein Pfauenauge kam angeflattert und
setzte sich mitten auf Frau Seyderhelms gefaltet im Schoß daliegende Hände.
    „Wie schön sammetig sein Rot ist, und
wie blau seine Flecken sind!“ sagte Elke. „Und wie hübsch es aussieht, wenn er
seine Flügel aufklappt und immer wieder schließt. Warum er das wohl tut?“
    „Vielleicht will er sich vergewissern,
daß er jeden Augenblick frei davonfliegen kann!“ meinte Frau Seyderhelm.
    „Vielleicht will er aber auch bloß ein
bißchen in der Luft herumfächeln“, erwiderte Elke. „Schade eigentlich, daß man
niemals weiß, was Tiere denken. Ich möchte zum Beispiel so oft gern wissen, was
mein kleiner Ali denkt. Er guckt oft so und denkt dabei bestimmt etwas, aber
ich weiß dann nicht, was es ist.“
    Frau Seyderhelm dachte: „Ich täusche
mich nicht in Elke. Sie wird nicht vergessen, was ich vorhin zu ihr gesagt
habe. Liegt es ihr doch sogar am Herzen zu wissen, was ihr Tier ausdrücken
möchte und nicht ausdrücken kann.“
    Laut sagte die alte Dame: „Ich muß
jetzt auch daran denken, wieder heimzukommen. Bitte, Elke, rufe Schwester
Gertrud. — Doch, doch! — Auch der schönste Tag muß ein Ende haben,“
    Ein Weilchen später ging Elke durch
ihre Blumenbeete und schnitt die schönsten Blütenstiele ab, die sie finden
konnte. Ein ganzer Arm voll aber, so wie sie ihn früher für Frau Seyderhelm
gewünscht hatte, wurde es durchaus nicht. Nicht, daß sie nicht genug Blumen
dafür gehabt hätte oder daß sie sich von ihnen nicht hätte trennen mögen. Nein.
Sie hatte aber die Entdeckung gemacht, daß man am besten sieht, wie schön eine
Blume ist, wenn sie nur mit wenigen zusammen oder ganz allein in einer Vase
steht. Und deshalb verschenkte sie jetzt immer nur einzelne Blumen.
    Dann fuhr Ulf den Besuch wieder in die
Stadt zurück, und Elke fuhr auch mit.
    Vorm Schlafengehen sagte Elke zu ihrer
Mutter: „Ich freue mich, daß Frau Seyderhelm einmal bei uns gewesen ist. Ich
glaube, sie mochte gern bei uns sein.“ Und nach einem kleinen Weilchen fügte
sie hinzu: „Du, Mutti — zum allerletzten Abschied oben in ihrer Wohnung hat
Frau Seyderhelm mir einen Kuß gegeben —, wie eine Großmutter war sie zu mir.“
    Elke hatte ihre eigenen Großmütter
nicht gekannt. Sie waren beide vor ihrer Geburt gestorben.
    Und fast genau in demselben
Augenblick, als Elke dies zu ihrer Mutter sagte, äußerte Frau Seyderhelm ihrer
Pflegerin gegenüber: „Ich hab’ Elke sehr lieb. Sie steht mir so nahe, als wenn
sie mein Enkelkind wäre.“
    Als Mitternacht lange vorüber war,
bemerkte Schwester Gertrud, daß die alte Dame auf ihrem Nachttisch noch immer
Licht brennen hatte, und sie ging zu ihr hinein, besorgt, daß sie Hilfe
brauche. Aber Frau Seyderhelm befand sich durchaus wohl. Sie saß in ihrem Bett
und schrieb. Es schien irgend etwas Wichtiges zu sein,
was sie schrieb, denn als die Pflegerin nähertrat, deckte sie es zu.
    Schwester Gertrud war etwas neugierig
veranlagt, und sie hoffte, bei Gelegenheit doch noch einmal herauszubekommen,
was Frau Seyderhelm in dieser Nacht geschrieben hatte. Aber das, was sie später
fand, war nur ein festverschlossener Briefumschlag, und darauf stand in Frau
Seyderhelms kleinen, dünnen Schriftzügen: „Zur Erinnerung an meinen Besuch in
Hemmelwarde.“

5. Kapitel

FERIEN
     
    Achim Wendel kam gleich am zweiten
Ferientag in Hemmelwarde an. Sein Vater brachte ihn im Auto.
    Elke und Achim hatten sich über ein
Jahr lang nicht gesehen, und Elke fand den Jungen „so erwachsen“ geworden.
    Achim hatte sich in der Tat
herausgemacht. Er war jetzt fast einen halben Kopf größer als sein — allerdings
nicht mehr

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