Elke und ihr Garten
höchstens noch viel
entsetzlicher, als ich sowieso schon denke!“ Elke urteilte leicht sehr schroff,
wenn sie gegen irgend jemand eingenommen war.
„Du wirst dich dennoch bemühen müssen,
auch gute Seiten an Frau Schütt zu erkennen“, gab die alte Dame zu bedenken.
„Sie gehört ja jetzt nun einmal zu Katje, wie du selbst gesagt hast, und wenn
du deine Freundin nicht verlieren willst, mußt du mit ihrer Tante auszukommen
versuchen.“
Elke blickte eine längere Weile trübe
vor sich hin. Dann sagte sie: „Glauben Sie, daß zwischen Katje und mir alles
wieder gut wird?“
„Vielleicht schon morgen, wenn ihr
euch in der Schule wiederseht!“
„Nein, das ist ausgeschlossen“. Elke
schüttelte den Kopf. „So ist Katje nicht. Bei ihr dauert immer alles lange.“
„Dann wirst du die Geduld nicht
verlieren dürfen!“
„Aber wenn sie dann noch wieder sagt,
daß wir nicht zueinander passen und daß ich andere Freundinnen habe — und wenn
sie immer so kalt und fremd zu mir bleibt — —?“
Elke sah fragend zu der alten Dame
hinüber. Die aber antwortete nur mit einer kleinen, ratlosen Bewegung ihrer im
Schoß ruhenden Hände.
Dann saßen beide lange ganz still und
blickten durchs Fenster in die niedersinkende Dämmerung des grauverhangenen
Herbsttages. Elke hatte längst vergessen, daß sie eigentlich zu Frau Seyderhelm
gegangen war, um sich die Wartezeit auf ihren Zug zu verkürzen.
Jetzt schüttelte sie plötzlich den
Kopf, wie wenn sie etwas von sich abschütteln wollte. „Nein, es ist alles
Unsinn“, sagte sie.
„Was ist Unsinn?“ fragte die alte
Dame.
„Das mit Katje!“ sagte Elke. „Katje
und ich gehören zusammen. Und wenn ich mir Katje neu erkämpfen muß! Wenn Katje
mir nicht treu bleiben will —, ich will ihr aber treu bleiben!“
Elkes Gesicht glühte.
Die gelähmte Frau Seyderhelm senkte
für Sekunden in einer tiefen, warmen Freude über Elke die Augen.
Da schlug die Uhr, und Elke fuhr
erschrocken aus ihrem Sessel auf. Es war allerhöchste Zeit, daß sie jetzt
heimfuhr nach Hemmelwarde.
Ein Weilchen später beauftragte Frau
Seyderhelm ihre Pflegerin, sie möchte ihr Tinte und Feder und die stählerne
Kassette bringen, in welcher sie wichtige Papiere aufbewahrt hielt.
Dieser stählernen Kassette entnahm die
Gelähmte einen Briefumschlag, welcher die Aufschrift trug: „Zur Erinnerung an
meinen Besuch in Hemmelwarde“. Sie schnitt den Umschlag auf und schrieb auf die
dritte Seite des darinliegenden Briefbogens mit ihrer kleinen und dünnen
Schrift folgenden Nachtrag:
„Heute war Elke Tadsen in großem
Kummer um ihre Freundin Katje bei mir. Das Bild, das ich von Elke früher
gewonnen hatte, ist mir neu bestätigt worden, und mir ist jetzt ganz klar, daß
ich das tun darf, was zu tun in meiner Absicht liegt.“ Und ganz zum Schluß hieß
es weiter: „In Elkes Händen wird zum Segen werden, was in anderen vielleicht
nur zerrinnt.“
11. Kapitel
NEUE HOFFNUNG
Jetzt waren Wochen vergangen, und
Weihnachten stand vor der Tür.
Elke sagte zu ihrer Mutter: „Ich weiß
nicht, Mutti — ich freue mich dieses Jahr nicht auf Weihnachten. Ich glaube, es
ist Katjes wegen.“
„Ist Katje immer noch so sonderbar zu
dir?“
„Ja, und niemand kann aus ihr
herausbringen, was sie eigentlich gegen mich hat.“
Das Beste wird sein, daß du dich eine Weile gar nicht um sie kümmerst. Hält sie
wirklich noch etwas von dir, so wird sie sich schon darauf besinnen, was sie
dir schuldig ist. Katje hat stets nur Gutes von dir gehabt.“
„Alle meinen, daß die Tante sie gegen
mich aufhetzt!“ erwiderte Elke.
„Das mag sein, mein Kind. Zum
Aufhetzen gehören aber immer zwei. Einer, der hetzt, und einer, der sich
aufhetzen läßt. Ich hätte von Katje nicht geglaubt —“
Elke unterbrach die Mutter: „Frau
Seyderhelm sagt, daß ein großer Kummer die Menschen manchmal ganz verändert.“
„Das brauchte nicht auszuschließen,
meine Elke, daß Katje dir offen und ehrlich sagte, was sie gegen dich hat.“
„Sie sagt, daß wir nicht mehr
zueinander passen.“
„So? Ist das ihre Meinung? Nun, des
Menschen Wille ist sein Himmelreich. Du bist doch wirklich nicht um nette
Freundinnen verlegen!“
„Ach, Mutti —
„Ja, natürlich, du mußt dich erst an
den Gedanken gewöhnen, Katje nicht mehr zu haben.“
„An den Gedanken gewöhne ich mich nie,
Mutti!“ —
Aber was hatte es denn nun eigentlich
mit Katjes verändertem Wesen für eine Bewandtnis? Welches war der tiefere
Weitere Kostenlose Bücher