Elke und ihr Garten
mit ihr
meinte, und daß sie auch nur über Tadsens deshalb mit ihr sprach, weil sie
ehrlich besorgt war, daß ihr von der Seite her eines Tages eine Enttäuschung
bereitet werden könnte.
Aber nun mag immer noch eingewendet
werden: Ja, aber Katje mußte Elke doch kennen! Elke hatte ihr doch schon so oft
bewiesen, daß sie treu zu ihr hielt. Wie konnte Katje plötzlich im Ernst
glauben, daß Elke und sie nicht mehr zueinander paßten?
Da muß an das erinnert werden, was
Frau Seyderhelm Elke zu bedenken gab: daß ein großer Kummer wirklich den Menschen
dazu bringen kann, daß er ungerecht wird und selbst die von sich stößt, die es
gut mit ihm meinen.
Katje litt in ihrem Herzen
unbeschreiblich an dem Verlust ihrer Mutter. Sie haderte mit ihrem Schicksal.
Sie biß des Nachts in wilder Verzweiflung in ihre Kissen. Wenn das Leben ihr
nicht einmal die Mutter gönnte — dann brauchte sie auch keine Freundin! Sie
hatte schon so viel verloren, da kam es auch nicht mehr darauf an, ob sie auch
Elke noch verlor!
Wir wollen Katje nicht verurteilen.
Wir wollen sagen: Arme, arme Katje!
Elke grübelte darüber nach, wie sie
Katje wieder zu sich heranziehen könnte. Anfangs hatte sie geglaubt, daß die
Freundin sich nach ihrem ersten, tiefsten Schmerz selber wieder auf ihre alte
Freundschaft besinnen würde; aber nun stand Weihnachten vor der Tür, und in
Katjes Zurückhaltung war noch immer keine Veränderung eingetreten. Wenn sie nun
versuchen würde, Katje irgendeine große Freude zu machen? Vielleicht erkannte
sie daran ja, daß sie sie immer noch lieb hatte.
Und jetzt tat Elke etwas, was ihr, als
es einige Tage später bemerkt wurde, heftige Vorwürfe eintrug: sie nahm das
hübsche Bild, das Onkel Bernhard im Sommer vor zwei Jahren für sie gemalt
hatte, von der Wand, rieb es sorgfältig blank und packte es ein. Es war ein
ziemlich großes Aquarell mit wundervoll leuchtenden Farben und stellte eine Alm
mit weidenden Kühen dar, dieselbe Alm, die Bernhard Zeißler damals für Elke auf
ihrem Wege zur Wildspitze hatte photographieren wollen, aber nicht hatte
photographieren können, weil die fürwitzigen Kühe das nicht zugelassen hatten.
Katje war immer begeistert gewesen von diesem Bild, und nun packte Elke es in
Weihnachtspapier ein, um es ihr zu schenken.
Sie trennte sich nicht leicht von dem
Bild, aber Katje würde sich ja sicher freuen über — ja, über das O p f e r, sie
konnte es ruhig so nennen.
Anke war die erste, die zwei Tage
später das Fehlen des Bildes in Elkes Zimmer bemerkte. Sie wurde böse, als sie
von der Schwester erfuhr, welche Bewandtnis es mit seinem Verschwinden hatte.
„Aber wie konntest du einfach so ein
wertvolles Bild fortgeben, ohne uns etwas davon zu sagen!“ schalt sie. „Onkel
Bernhards Arbeiten sind Kunstwerke — das solltest du wissen! Wie konntest du
außerdem etwas wegschenken, was du selber geschenkt bekommen hast!“
Elke antwortete auf diese Vorwürfe
nicht, sondern blickte nur trübe vor sich hin. Die Sache mit dem Bild war
überhaupt mißlungen: Anke schalt, die Eltern würden auch schelten, und Katje
hatte sich nicht einmal richtig gefreut. Wohl hatte sie das Bild mitgenommen,
als sie es ihr gestern in der Schule gegeben hatte, aber ihr Dank heute hatte
sehr kühl geklungen.
Elke war verzagt. Was konnte
Weihnachten dieses Jahr schon an Freude bringen! Gewiß, der Tannenbaum würde
wie immer schön sein und die Krippe auch, mit den hübschen, aufs Holz
geschnitzten Menschen und Tieren, die Onkel Bernhard vor einigen Jahren aus
Tirol geschickt hatte und die seitdem immer unter dem Tannenbaum aufgestellt
wurde. Und natürlich würde ja auch die Bescherung wie immer allerlei Gutes
bringen — aber richtige Weihnachtsvorfreude — nein, die hatte sie dieses Jahr
nicht.
Und doch wurde das mit einem Male ganz
anders. In dem Augenblick, nämlich, als ein Brief aus Wien ankam. Er trug
Doktor Peter Falkners steile, große Schriftzüge und war an Elke gerichtet.
Ja, an Elke. Nicht an Anke.
Niemand konnte das begreifen. Aber es
war Tatsache. Doktor Falkner hatte eine große, freudige Nachricht mitzuteilen,
und es war Elke, an die er sich damit wandte.
Worin diese freudige Nachricht
bestand?
Doktor Falkner hatte es durch die
Unterstützung alter Freunde seines verstorbenen Vaters möglich machen können,
hoch oben in den Bergen des Oberinntales ein Hotel zu kaufen, das sich
ausgezeichnet dafür eignete, in eine Sonnenklinik der Art umgewandelt zu werden
wie sein Schweizer
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