Ella auf Klassenfahrt
nickte er und leerte seine Taschen aus. Sie waren voller Sand.
Wir verstanden. Der Lehrer hatte die ganze Nacht an seinem Tunnel gegraben. Und die Erde war ja noch gefroren. Gefrorene Erde mit einem Esslöffel schaufeln, das musste ganz schön anstrengend sein.
»Wie wär’s, wenn du dich ein Weilchen schlafen legst?«, schlug die Frau des Lehrers vor.
»Gute Idee«, sagte der Lehrer. Dann kroch er hinter dem Rentier in den Schlitten und kuschelte sich unter die Decken, die darin lagen.
»Ich meinte, in dein Bett«, seufzte seine Frau, aber da war es schon zu spät. Der Lehrer schlief tief und fest.
Die Rentierschlittenfahrt war dann sehr schön. Wir hatten jeder ein eigenes Rentier, und alle trabten brav in einer Reihe hinter dem Anführertier her, dem mit dem schönen Geweih und dem Schlitten, in dem der Lehrer schlief. Unsere Rentierkarawane zog über weiße Fjälls und tiefe Täler bis zu einem kleinen See. Dort hielt die Karawane zwischen drei kleinen Häusern neben einem großen Indianerzelt. Oder jedenfalls sah es aus wie ein Indianerzelt. Es war nur aus dünnen Baumstämmen gemacht. Oben an der Spitze war eine Öffnung, aus der Rauch aufstieg.
»Im Ausland ist alles so anders«, staunte Pekka. »Außer den Rentieren vielleicht.«
Der Lehrer wachte auf, als zwei Hunde ihm das Gesicht leckten. Er freute sich riesig, als er sah, dass es seine alten Bekannten aus dem Flugzeug waren. Die Freude bei den Hunden war aber mindestens genauso groß.
»Es sind Spitzenschlittenhunde«, sagte der Rentiermann, dem die Hunde gehörten. Es war der, mit dem der Lehrer sich schon vorhin beim Weihnachtsmann unterhalten hatte.
»Spitzenschlittenhunde?«, wiederholte der Lehrer.
»Vergiss es, Liebling!«, sagte seine Frau. »Die beiden schaffen es nie im Leben, zwei Erwachsene und eine ganze Schulklasse von hier bis nach Hause zu ziehen. Nicht mal zwei Erwachsene ohne Kinder würden die schaffen. Sie sind ja kaum aus dem Welpenalter heraus.«
»Könnten wir’s nicht wenigstens versuchen? Ich finde sie für ihr Alter schon ziemlich …«, versuchte es der Lehrer, aber da hatte ihn seine Frau schon an der Hand und zog ihn in das große Indianerzelt.
Wir gingen hinterher, und drinnen bekamen wir Pfannkuchen mit Erdbeermarmelade.
»Fast so lecker wie in Finnland«, sagte Pekka.
Und die Pfannkuchen waren wirklich extralecker. Wir Mädchen überlegten, wie oft Wichtel wohl solche Pfannkuchen bekamen und ob ein kleines Bärtchen vielleicht doch nicht so schlimm war, wie wir erst gedacht hatten. Vielleicht durfte man Wichtelbärte ja auch färben, grün oder rosa oder so.
»Arbeiten Sie oft für den Weihnachtsmann?«, fragte Hanna den Rentiermann.
»Nein«, sagte er.
»Aber die Rentiere gehören dem Weihnachtsmann?«, fragte Tiina.
»Nein«, sagte der Rentiermann.
»Aber das Wigwam hier gehört ihm?«, fragte ich.
»Wir Lappen nennen es Kote«, sagte der Rentiermann.
»Wussten Sie, dass der Weihnachtsmann uns gefangen hält?«, fragte Timo.
»Nein«, sagte der Rentiermann.
»Wussten Sie, dass aus mir ein Wichtel werden soll?«, schniefte Mika.
»Nein«, sagte der Rentiermann.
»Wussten Sie, dass mir bald ein Bart wächst?«, fragte Hanna.
»Nein«, antwortete der Rentiermann.
»Wussten Sie, dass wir dauernd fröhliche Lieder singen sollen?«, fragte Mika.
»Nein«, sagte der Rentiermann.
»Wussten Sie, dass ich jedem eins auf die Mütze gebe, der verlangt, dass ich Wichtellieder singe?«, fragte der Rambo.
»Nein«, sagte der Rentiermann.
»Sie wissen zwar nicht viel, aber für einen Ausländer sprechen Sie gut Finnisch«, sagte Pekka.
Für die restliche Zeit war der Rentiermann sehr schweigsam. Er sah so aus, als grübelte er über irgendetwas nach, und wir fragten uns, worüber jemand wohl nachgrübeln konnte, der überhaupt nichts wusste. Erst als wir nach der Rückfahrt aus dem Schlitten stiegen, sagte der Rentiermann wieder was.
»Wusstest du, dass die alle einen an der Waffel haben?«, fragte er den Lehrer und zeigte dabei auf uns.
»Ja«, sagte der Lehrer. »Und wusstest du , dass mein Vater sich zur Ruhe setzen will und verlangt, dass ich hier weitermache?«
»Ja«, sagte der Rentiermann.
»Aber ich möchte Lehrer bleiben. Es ist nicht nur mein Beruf, es ist meine Berufung«, erklärte unser Lehrer.
Da schüttelte der Rentiermann den Kopf und verabschiedete sich mit einem festen Händedruck. Ich glaube, wir sollten nicht sehen, dass er dem Lehrer dabei einen Zwanzigeuroschein in die Hand
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