Ella in den Ferien
wäre es ein Topf voll kochendem Wasser.
»Kommst du zurecht?«, rief ich Tiina zu.
»Ich bin eine Meerjungfrau!«, schrie Tiina über das Rauschen des Meers hinweg.
Und genau in diesem Moment packte uns der Sturm. Ich hatte noch nie etwas so Fürchterliches erlebt. Niemand von uns hatte das. Die Wellen schmissen das Schiff auf und ab und hin und her. Es war, als wären wir zum Schleudern in eine Riesenwaschmaschine geraten. Als spielten Riesen mit uns Wäschewaschen.
»Der Sturm prügelt uns, sagen die Seeleute«, ächzte der Lehrer.
Der Sturm prügelte uns grün und blau. Ich kniff die Augen zu und wünschte mir nur, dass es endlich aufhörte. Die Reisetante wurde irgendwann wach und versuchte, nach oben zu klettern, um das Steuer zu übernehmen, aber sie wurde auf halbem Weg zurückgeschleudert und rührte sich von da an nicht mehr von der Stelle. Als Nächstes knallte die Tür der Kajüte zu, und ich konnte nicht mehr sehen, was oben passierte. Nur die Riesen spielten ein bisschen vorsichtiger, also schien der Sturm nachzulassen. Trotzdem war mir schlecht. Und allen anderen auch. Wir wünschten uns nur noch, zu Hause im eigenen Bett zu liegen. Zu Hause im Bett, das kein bisschen schwankte, war der beste Platz der Welt.
Der Sturm lieà nach, aber immer noch war drauÃen ein einziges Rauschen und Toben und Getöse. Immer noch zitterte das Schiff, wenn es von einer Welle getroffen wurde. Manchmal knarrte es auch unheimlich. Es rumpelte und knirschte und quietschte. Das Geschirr und alles, was sonst noch lose war, flog durch die Kajüte.
Keiner von uns konnte hinterher sagen, wie lange der Sturm gedauert hatte. Zu lange war es in jedem Fall. Es endete schlagartig mit einem groÃen Krachen, und plötzlich hörte das Schaukeln auf. Der Wind heulte noch, aber sonst machte er nichts mehr. Das Schiff stand auf der Stelle und schaukelte auch nicht mehr. Das ist die Hauptsache, dachte ich noch. Dann schloss ich die Augen und schlief ein.
Als ich aufwachte, war es mucksmäuschenstill. Auf dem Boden der Kajüte stand Wasser, und es wurde anscheinend immer mehr. Ich war als Erste wach, und jetzt weckte ich schnell die anderen. Wir griffen uns die Zelte und Schlafsäcke und fischten den Proviant aus dem Wasser, dann stürmten wir an Deck. DrauÃen schien die Sonne. Unser Schiff lag nicht weit vom Ufer einer Insel, bestimmt der, die Tiina gesehen hatte. Es war zwischen zwei Uferfelsen gekeilt. Das Meer war noch unruhig, aber es wurde zusehends ruhiger.
Vom Bug des Schiffs aus brauchten wir nur auf einen der beiden Felsen zu springen, dann waren wir in Sicherheit. Nur Tiina war nirgends zu sehen. Mein erster Gedanke war, dass sie ins Meer gespült worden war. Der Sturm hat sie gepackt und eine Meerjungfrau aus ihr gemacht, dachte ich. Aber dann entdeckten wir sie. Sie watete am Strand entlang und sammelte Muscheln. Als sie uns bemerkte, winkte sie fröhlich. Wir winkten ihr auch, und dann winkten wir der Pekka Superstar , die eben im Meer versank, bis zwischen den beiden Felsen nur noch die vorderste Spitze des Bugs zu sehen war.
Schiffbrüchige
Tiina war natürlich die groÃe Heldin. Unsere ganz normale Tiina war ein Genie und eine Heldin gleichzeitig. Der Lehrer und seine Frau küssten sie auf die Stirn. Pekkas Vater warf sie dreimal in die Luft und vergaà zum Glück nicht, sie wieder aufzufangen. Mikas Mutter umarmte Tiina fest und sagte, wenn sie mal kalte Hände hätte, könnte sie sich jederzeit Mikas Ersatzhandschuhe ausleihen. Die Erwachsenen ärgerte nur, dass alle Handys auf dem sinkenden Schiff geblieben waren. Es war einfach alles viel zu schnell gegangen. Und jetzt konnten wir niemanden zu Hilfe rufen. Andererseits wäre es sowieso schwierig gewesen wäre, jemandem den Weg zu einer Insel zu erklären, die es gar nicht gab. Wenigstens behauptete das die Reisetante.
»Das ist alles ganz und gar unmöglich «, schnaubte sie. »Erstens ist es unmöglich, dass ein achtjähriges Mädchen mutterseelenallein ein Schiff aus einem schweren Sturm herausmanövriert. Zweitens ist diese Insel nicht auf der Seekarte eingezeichnet, also gibt es sie auch nicht. Und wenn es diese Insel nicht gibt, dann sind wir auch nicht gerettet. Kurzum: Wir befinden uns noch immer mitten in dem Sturm.«
»Und wie erklärst du dir dann die Windstille und dass wir tatsächlich hier auf der Insel sind ?«,
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