Ella in den Ferien
höchsten Felsen an einem Ende der Insel. Er wollte ein Leuchtfeuer machen, das andere Schiffe anlocken sollte. Es war eine mühsame Arbeit, denn auf der Insel wuchs auÃer den spärlichen Büschen und dem dürren Wäldchen in der Mitte nichts. Der Lehrer lief kreuz und quer über die Insel, um alles einzusammeln, was irgendwie brennbar war. Wir halfen ihm natürlich nicht, denn wir wollten ja nicht gerettet werden, jedenfalls nicht vor dem Tag im Herbst, an dem die Schwimmende Schule ohne unseren Lehrer in See stach.
Die Reisetante lief den ganzen Morgen die Strände der Insel ab und schaute in jeden Spalt und jede Ritze zwischen den Felsen. Sie kroch auch in die Büsche und drehte jeden Stein auf der Insel um. Es sah so aus, als würde sie irgendetwas suchen. Wir überlegten, was sie wohl auf einer Insel hatte verlieren können, auf der sie noch nie gewesen war, aber wir kamen nicht darauf, zumal wo sie nicht mal glaubte, dass es die Insel überhaupt gab.
»Vielleicht sucht sie den Schuh vom Lehrer«, überlegte Timo.
»Oder die Kapitänsmütze«, kicherte Hanna.
»Oder nach ihrer verloren gegangenen Fantasie«, sagte Pekka, und wir stutzten, weil das eine viel zu schlaue Idee für ihn war.
Aber sie konnten alle drei recht haben: Der Lehrer hatte wirklich einen Schuh verloren, wir hatten immer noch die Kapitänsmütze, und die Reisetante hatte keine Fantasie, also musste sie sie irgendwo verloren haben.
»Ich glaube, dass sie nach ihrem Vater sucht«, sagte Tiina plötzlich.
»Nach ihrem Vater? Wie kommst du darauf ?«, fragte ich überrascht.
»Sie hatâs doch erzählt: Ihr Vater ist mitsamt seinem Schiff verschollen, seit er nach einer Insel gesucht hat, die es gar nicht gab«, erklärte Tiina.
Wir erinnerten uns natürlich, was die Reisetante uns über ihren Vater und sein Schiff erzählt hatte.
»Vielleicht denkt sie, das hier ist die Insel, die ihr Vater gesucht hat«, sagte Tiina.
Das fanden alle eine klasse Idee. Dass wir auf genau derselben Insel gestrandet waren, die der Vater der Reisetante gesucht hatte, war toll. Wir sahen die Insel plötzlich mit ganz anderen Augen an. Das Komische war, dass sie eine ganz besondere Insel war, aber überhaupt nicht besonders aussah. Im Gegenteil: Sie war einfach nur karg und felsig. Sie war nicht besonders geheimnisvoll und auch nicht unauffindbar. Wir saÃen ja gerade mitten auf ihr drauf.
»Warum sie wohl noch niemand zuvor gefunden hat?«, grübelte Hanna. »Man würde doch annehmen, dass so eine groÃe Insel nicht lange unentdeckt bleibt.«
»Vielleicht kann man sie nur bei extraschrecklichen Stürmen finden«, schlug Tiina vor. »Dann taucht sie wie ein Wunder auf und rettet diejenigen, die genug Fantasie haben, um an sie zu glauben.«
So musste es sein. Die gescheite Tiina hatte es rausgekriegt. Vielleicht tobte der schreckliche Sturm sogar immer noch irgendwo drauÃen auf dem Meer, und nur wir waren im Zauberkreis der Insel in Sicherheit. Weil wir genug Fantasie hatten, darum. Auf einmal waren sich alle einig. Oder fast alle. Ich fand nämlich noch einen kleinen Haken an der Geschichte.
»Und wieso ist die Reisetante hier, wenn sie überhaupt keine Fantasie hat?«, fragte ich.
»Weil wir so viel davon haben, dass es für die Reisetante mit reicht«, vermutete Tiina.
»Und wie kommen wir hier weg, wenn es eine Wunderinsel ist, die nur bei schrecklichen Stürmen auftaucht?«, sorgte sich Mika.
»Ganz einfach«, sagte Tiina. »Wir werden groà und hören zu fantasieren auf, dann ist alles wieder wie vorher.«
»Und der Sturm?«, fragte ich. »Der ist dann doch auch zurück.«
»Aber er macht uns nichts mehr aus«, sagte Tiina. »Stürme kommen und gehen, und wenn man groà ist, kommen sie einem nur noch halb so schlimm vor.«
»Ich klopf dich zum Zwerg, wenn ich groà werden muss«, versprach der Rambo.
Der Rambo übertrieb immer ein bisschen, aber wir anderen fanden es auch traurig, dass wir auf einmal groà werden sollten. Oder vielleicht sogar erwachsen. Nur damit wir nicht mehr fantasierten.
»Könnten wir nicht einfach hierbleiben? Wie wärâs, wenn wir uns weigern, groà zu werden?«, schlug ich vor.
»Wir könnten komplett verwildern und Tarzan spielen«, schlug Timo vor.
»Oder wilde Seeräuber«, schlug ich vor.
»Oder
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