Ella Vampirella
Kisten mühsam heraus. Dann zögerte er. Erst kürzlich war in der Nähe eine Bank ausgeraubt worden. Und wenn in den Kisten die Beute versteckt war? Sollte er nicht doch besser die Polizei einschalten? Ach was, erst mal aufmachen!
Er fasste die kleinere Kiste an. Das Schloss ließ sich tatsächlich ganz leicht öffnen. Arthur jaulte auf, als Sascha den Deckel anhob und durch den Spalt in die Kiste spähte. Er sah graubraunes Fell und zwei Hinterläufe. In der Kiste lag ein Tier!
»Verflixt«, schimpfte Sascha. »Will da jemand seinen toten Hund loswerden?« Und was das für ein riesiger Hund war! Halt – war es wirklich ein Hund? Sascha runzelte die Stirn. Das Tier sah eher aus wie ein Wolf!
Dann entdeckte Sascha, dass einer der Hinterläufe noch zuckte. Ein unbeschreibliches Grauen erfasste ihn. Voller Schreck schlug er die Kiste zu, sprang in sein Auto und ließ den Motor an. Arthur war mit einem Satz neben ihm.
»Nichts wie weg«, murmelte Sascha. Er schlotterte am ganzen Leib. »Mir reicht’s! Wer weiß, was erst in der großen Kiste steckt!«
Er brauste durch den Burghof. Nur fort von diesen schrecklichen Kisten! Den Frachtschein warf er einfach durchs offene Fenster. Der Zettel wurde von einem Windstoß erfasst und flatterte durch die Luft, während der Lieferwagen den Weg hinunterholperte.
Die falsche Burg
Zum Glück sah Sascha nicht mehr, wie sich der Kistendeckel öffnete. Der Wolf, der ihm solche Furcht eingejagt hatte, stieg heraus und sah sich im Burghof um. Das zottige Fell leuchtete in der Nachmittagssonne, als er sich zur zweiten Kiste schlich und lauschte. Im Innern rührte sich nichts.
Der Wolf trommelte ungeduldig auf die Holzkiste. »He, Ella«, japste er. »Wir sind angekommen.«
In der großen Kiste gähnte jemand. Dann sagte eine helle Mädchenstimme: »Ist es denn schon dunkel, Wolfi?«
Der Wolf schaute zur Sonne und kniff geblendet die Augen zusammen. »Noch nicht ganz, Ella«, antwortete er.
Er hörte einen Seufzer. »Wie oft muss ich dir das denn noch erklären?«, kam es ein wenig ungeduldig aus der Kiste. »Als Vampir kriegt man bei Tageslicht einen furchtbaren Sonnenbrand. Dazu reicht schon ein ganz kurzer Augenblick.«
»Schade«, brummte Wolfi enttäuscht. »Wir könnten tagsüber so viel unternehmen! Aber immer liegst du in dieser dummen Kiste oder in deinem Sarg. Das ist doch sterbenslangweilig.«
»Gar nicht«, widersprach Ella. »Ich träume und denke mir Geschichten aus, und dann überlege ich auch noch, was wir nachts unternehmen können.« Sie lachte leise. »Für heute Nacht brauche ich mir nichts zu überlegen. Die Party bei Tante Esmeralda wird bestimmt toll. Ob viele Gäste kommen? Was meinst du, Wolfi?«
Wolfi schaute sich um. Der Ort sah verlassen aus. Die Gäste würden wohl erst nach Sonnenuntergang eintreffen. »Bis jetzt ist noch niemand da.«
»Ich bin so aufgeregt«, gestand Ella. »Zum ersten Mal bin ich allein verreist.«
»Allein?«, knurrte Wolfi beleidigt. »Ich zähle wohl nicht?«
»Natürlich zählst du«, sagte Ella schnell. »Ich meine, es ist die erste Reise ohne Mama und Papa.«
Tante Esmeralda war ihre Patentante, und Ella liebte sie über alles. Unter anderem deshalb, weil Tante Esmeralda ihr zum Geburtstag Wolfi geschenkt hatte. Ella hatte sich schon immer einen kleinen Werwolf gewünscht.
Leider war die Einladung zu Tante Esmeraldas Party zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt gekommen. Es herrschte Panik unter den Vampiren auf dem Friedhof. Arbeiter wollten den ältesten Teil einebnen. Davon waren auch die Gräber der Vampirellas betroffen. Ellas Mutter, Frau Vampirella, bekam einen Nervenzusammenbruch und lag noch kraftloser im Sarg als sonst. Herr Vampirella schmiedete in aller Eile Pläne. Die verfallene Klosterkapelle hatte eine Gruft, die zumindest als Notunterkunft für obdachlose Vampire dienen konnte. Der Umzug musste nachts über die Bühne gehen. Am nächsten Tag kam nämlich schon der Bulldozer, riss die Erde auf und schüttete alle unterirdischen Hohlräume zu.
Die Vampirellas waren gerade noch einmal davongekommen, doch die Stimmung war mies. Frau Vampirella gefiel die neue Gruft überhaupt nicht, obwohl es darin prima Verstecke gab. Herr Vampirella hatte sich beim Umzug den Knöchel verstaucht und musste sich auskurieren. Verständlich, dass niemand große Lust hatte, Esmeraldas dreihundertdreiunddreißigsten Geburtstag zu feiern. Das heißt, Ella hatte schon Lust. Unheimlich große Lust sogar. Aber eine so weite
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