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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gedanke solcher Trennung nie und nimmer gekommen sein, am wenigsten als Wunsch; andererseits war es ihr nicht unlieb, es
ohne
ihr Wissen und Zutun geschehen zu sehen, und weil ihr Verstellung und Lüge fremd und zuwider waren, so sagte sie nur: »Ich werde dich oft vermissen, Grissel, ängstlich und furchtsam, wie ich bin.« Aber diese, die gerade zwei von den großen Einlegebrettern ihrer Bettlade zusammenklappte, tat, als habe sie nichts gehört, kommandierte vielmehr mit lauter Stimme weiter und knickste, wenn Joost nach diesem oder jenem fragte, wie besessen in die Welt hinein und sagte: »Joa, mien leew Joost, ick weet et nich; doa möten wi dat
Frölen
froagen.« Endlich aber hatte der Lärm ein Ende, wenn auch freilich nicht der Ärger, und als Grissel eine Stunde später mit der Hand an die Küchenwand fühlte, neben der jetzt ihr Bett stand, sagte sie: »Föhl moal, Joost; nei, hier,
disse
Stell; hübsch woarm is et; un alle Morjen de Sünn dato. Na, frieren werd ick joa nich.«
    Und in solchen Spitzen und Spöttereien, die sich abwechselnd gegen Baltzer und gegen Hilde richteten, ging es den ganzen Tag, bis sie sich am Abend auf ihr Bett warf und wieder erbost an der warmen Wand herumtastete, fest entschlossen, ein halbes Jahr lang nicht zu sprechen und dem »Frölen« das Leben und die Herrschaft so sauer wie möglich zu machen.
    Und es würd auch so gekommen sein – an ihrem guten Willen gebrach es nicht –, wenn es Hilden im entferntesten eingefallen wäre, Befehl und Herrschaft üben zu wollen. Aber ihrer Natur entsprach viel, viel mehr eine Gleichgültigkeit dagegen, und dieser ihr eigentümliche Zug entwaffnete Grissels Zorn in so hohem Grade, daß sie bei bestimmter Gelegenheit zu Joost sagte: »Hür, Joost, ick kann ehr doch nich gramm sinn. He wull wat ut ehr moaken; awers se will joa nich. Un dat möt woahr sinn, se hett wat Fines.«
    Und so klang es denn eine gute Weile zwischen den beiden wieder ein, und es hätte vielleicht Bestand gehabt und wäre ganz wieder eingeklungen, wenn nicht der Melcher Harms oben auf den Sieben-Morgen gewesen wäre, zu dem Hilde jetzt öfter noch als früher hinaufstieg und länger noch als früher verweilte. Das verdroß Grisseln, die's nicht ertragen konnte, sich so beiseite gedrängt und um den Ruhm ihrer Weisheit und ihrer alten Geschichten gebracht zu sehen, und als eines Tages unsere Hilde zu Martin, der es gleich weiterplauderte, gesagt hatte: »Sieh, Martin, die Grissel gackert doch bloß wie die Hühner, aber unser alter Melcher Harms oben, der ist wie der Weih auf Kunerts-Kamp«, da war es mit dem Einklingen ein für allemal vorbei gewesen, und Grissel, als sie davon gehört, hatte nur höhnisch gelacht und gesagt: »Joa, joa, as de Weih upp Kunerts-Kamp. De nümmt de Lütt-Kinner mit in de Hücht, un groad, wenn se glöwen: nu geiht et in 'n Heben, denn, perdautz! lett he se wedder foalln. Un doa liggen se.«
    Seit dem Tage lebten Grissel und Hilde so nebeneinander hin, in einem halben Zustande, der nicht Krieg und nicht Frieden war, und wenn an Grissels Seele beständig etwas wie Neid und Eifersucht zehrte, so wuchs in Hilde der Hang nach Einsamkeit, und sie beglückwünschte sich täglich mehr als einmal, die Giebelstube nicht mehr teilen zu müssen. Und wenn dann Abend war, öffnete sie das Fenster und sah hinaus, und eine müde, schmerzlich-süße Sehnsucht überkam sie. Wonach? Wohin? Dorthin, wo das Glück war und die Liebe. Ja, die... Und Gestalten kamen und zogen an ihr vorüber und grüßten sie und fragten sie; aber sie waren es alle
nicht
. Und zuletzt kam Martin – Martin, der drüben in der Kammer schlief und immer rot wurde, wenn der alte Sörgel in Scherz oder Ernst ein Wort sagte. War er es? Nein; ja... und dann wieder nein.
     
    Und es war wieder Herbst; die Berglehnen standen in Rot und Gelb, und die Sommerfäden zogen wieder wie damals, wo Hilde vor nun gerade zehn Jahren ins Haus gekommen war. Aber es dachte niemand mehr daran, auch Hilde nicht, die sich heute, weil es des Heidereiters Geburtstag war, nicht nur in aller Frühe schon herausgemacht, sondern auch in dem noch taufeuchten Garten eine große Girlande von Astern, mit reichlichen Levkojen und Reseda dazwischen, geflochten hatte. Die war nun fertig, und Hilde horchte vom Flur her, ob drinnen in der Stube noch alles ruhig sei. Wirklich, er schlief noch. Und so holte sie leise einen Schemel, öffnete noch leiser die Tür und hing den Girlandenkranz an dem inneren Rahmen

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