Ellernklipp
Jungfernkinn,
Alle beed vun 'n Düwel sinn...«
»Düwel sinn«, wiederholte Joost.
»Un moakens ook de Oogen to,
De sloapen nich, de dohn man so.«
»Joa, joa«, lachte Joost. »Ick hebb ook all so wat hürt.« Und setzte dann mit aller ihm möglichen Pfiffigkeit hinzu: »Na, denn möt ick man uppassen.«
»I, du nich«, sagte Grissel. »Du bist man simplig, un
di
dohn se nich veel. Awers anner Lüd. Un dat segg ick di: et is nich richtig mit em.«
»Mit uns' Martin?«
»Mit em ook nich...«
Und Joost spitzte Mund und Ohren, um noch mehr zu hören. Aber in eben diesem Augenblicke kam Melcher Harms den diesseitigen Talweg herauf, und Hilde, die schon von weit her das Läuten gehört hatte, sprang rascher, als ihr sonst eigen war, in den Hof und riß die Stalltür auf, aus der nun die Kühe heraustraten und sich ohne weiteres der vorüberziehenden Herde anschlossen.
»Ich seh Euch noch, Vater Melcher!« rief sie dem Alten zu. Der aber wandte sich und grüßte mit seinem Dreimaster. Und als er den Hut abnahm, sah man wieder den hohen Kamm, der das Haar nach hinten zu zusammensteckte.
Grissel sah es auch und brummte vor sich hin: »Oll Kamm-Melcher! He denkt ook, he is so wat as uns' Herrgott. Un wat is he...? He is
ook
man behext.«
Achtes Kapitel
Hilde bei Melcher Harms
Um Mittag aber schürzte sich Hilde, nahm eine der großen, zugeschrägten Milchkufen und schritt über ein in den steilen Rasen eingeschnittenes Gartentreppchen erst auf das Feld und dann auf die Sieben-Morgen zu, wo, wie sie wußte, Melcher Harms seine Herde weidete.
Der Alte, den seine siebzig Jahre mehr erhoben als niedergedrückt hatten, war – das Los aller Konventikler – ebensosehr der Spott wie der Neid des Dorfes. Und ein Rätsel dazu. Selbst über seine Zugehörigkeit zu dieser oder jener Sekte wußte niemand Bestimmtes, und wenn er einerseits unzweifelhaft unter dem Einfluß einer herrnhutischen und dann wieder einer geisterseherischen Strömung war, so war es doch ebenso sicher, daß er sich unter Umständen von jedem derartigen Einflusse frei zu machen und seinen eigenen Eingebungen zu folgen liebte. Widersprüche, die dadurch in sein Leben und sein Bekenntnis kamen, kümmerten ihn wenig, am wenigsten aber die Gräfin oben, die gerade um dieser seiner Freiheit und anscheinenden Willkürlichkeit willen an sein Erleuchtet-und Erwecktsein glaubte.
Was Hildens Schritt in diesem Augenblicke beflügelte, war freilich ein anderes und wurzelte neben einem immer wachsenden Hange, den Alten seine Märchen und Geschichten erzählen zu hören, einfach in einem lebhaften Gefühle des Dankes und der Liebe. Schon aus ihrem heute so freudig bewegten Gange sprach dieses Gefühl, und Joost, der sein Sielenzeug eben über den heiß von der Mittagssonne beschienenen Zaun hing, sah ihr nach und sagte: »Süh moal. Mit eens wedder prall und drall.«
Und ihr leichter Schritt hielt an und verriet nichts von Ermüdung. Aber der Weg mußte doch anstrengender gewesen sein als sonst, denn sie war erhitzt, als sie bei Melcher Harms oben ankam. Der saß auf einer großen Graswalze, sein Strickzeug in der Hand, und sagte: »Du kommst wieder wegen der Milch, Hilde. Warum schickst du nicht Mutter Rentsch oder die Christel?« Und dabei nahm er ein groß Stück wollenes Zeug, das ihm als Mantel diente, und warf es ihr über Kopf und Schulter; denn so heiß es auf dem Weg hinauf gewesen, so herbstlich kühl war es oben am Waldrande hin, an dem die Herde weidete.
Hilde ließ sich die Vermummung gefallen, sah ihn freundlich an und sagte: »Die Milch? Ihr wißt ja, Vater Harms, es ist nicht wegen der Milch, es ist wegen Euch, daß ich komme. Der Vater ist fort nach Ilseburg, und erst um die sechste Stunde will er wieder dasein und einen frohen Tag haben. Denn er hat heute Geburtstag. Neunundvierzig. Und ich finde, es sieht's ihm keiner an.«
»Da hast du recht«, antwortete der Alte. »Und ich will dir sagen, woher es kommt. Er hat die Kraft. Und die Kraft hat er, weil er Gott hat und lebt nach seinen Geboten. Und wäre der da drüben nicht« – und dabei wies er nach dem Pfarrhause hinüber, aus dessen Dach eben ein friedlicher Rauch aufstieg –, »so hätt ich ihn lang in unserem Saal. Aber ich mag es dem Sörgel nicht antun, obwohlen er auf dem Irrpfad ist. Und kann kein Friede sein zwischen ihm und mir.«
»Er hat aber die Liebe«, sagte Hilde.
»Ja,
die
hat er. Nicht die große, die hebt und heiligt und die nur gedeiht, wo der
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