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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wortes wieder gedenken, das Sörgel letzten Herbst erst gesprochen hatte: »Die Hilde blüht«; und er wiederholte sich's, hing das Gewehr über die Schulter und sah andächtig und verworren dem Bilde zu, bis er sich heimwärts wandte. Neben ihm her aber ging das Bild, und als eine Stunde später die Hilde nach Hause kam, vermied er es, sie zu sehen, wie wenn er etwas Unrechtes getan und durch die zufällige Begegnung ihr Innerstes belauscht oder ihr Schamgefühl beleidigt habe. Diese Verwirrung und Unruhe blieben ihm auch, und er mußte sich's zuletzt, alles Sträubens ungeachtet, in seinem Herzen bekennen: er habe sie mit anderen Augen angesehen als sonst. Ja, das war es. Und er schämte sich vor sich selbst. Aber zuletzt bezwang er's, und nur zweierlei blieb ihm in der Seele zurück: einmal, daß die Hilde kein Kind mehr sei, und zweitens und hauptsächlichst, daß sie
sein
Kind nicht sei. Diese zweite Wahrnehmung indessen ging niemanden etwas an, und so war es denn lediglich um des ersten Punktes willen, daß er am folgenden Tage die Grissel in seine Stube rief.
    Diese hatte den Türknopf in der Hand behalten und stand auf der Schwelle wie jemand, der rasch wieder fort will; als sie jedoch merkte, daß es ein langes und breites geben würde, kam sie näher und stellte sich mit ihrer Schulter bequem an den Ofen, während der Heidereiter in ersichtlicher Erregung auf und ab ging. Endlich aber begann er: »Es ist wegen der Hilde, daß ich mit dir sprechen will. Ich denke, Grissel, wir sind einerlei Meinung und bleiben gute Freunde. Denn du bist eine verständige Person...«
    »All Fruenslüd sinn unverstännig.«
    »Wer sagt das?«
    »Joost.«
    »Joost ist ein Narr«, entgegnete Baltzer. Aber die kleine Zwischenbemerkung war ihm doch gelegen gekommen, und er fuhr nun freier fort: »Also wegen der Hilde. Sie ist nun achtzehn, schon ein Viertel drüber, und ist kein Kind mehr. Ich denke, sie muß nun aus dem Müßiggang heraus und sich dran gewöhnen, daß sie was unter Pflicht und Obhut hat und nicht so hineinlebt in den Tag, immer bloß bei dem Alten oben oder auf Kunerts-Kamp oder bei Sörgel drüben, der sie verhätschelt und verwöhnt. Das soll nicht sein, und ich
will's
nicht. Sie muß also Arbeit haben, und die müssen wir ihr geben. Da mein ich denn, wir geben ihr die Milchwirtschaft, das Leinenzeug und die Wäsche... Du verstehst?«
    »Wohl. Ich versteh.«
    »Und alles andere bleibt. Und ist bloß noch das mit der Stub oder der Kammer. Ihr waret immer zusammen, und das war gut. Aber ich denke, wir lassen ihr jetzt den Giebel oben allein, und du nimmst unten die Kammer. Die neben der Küche, die hübsche gelbe, die letzten Herbst erst gestrichen ist; da hast du's warm, und ist auch bequemer für dich und brauchst nicht immer treppauf und treppab... Du verstehst?«
    »I, was werd ich nicht verstehen!«
    »Und an nichts wird gerührt. Und ist bloß, daß sie jetzt achtzehn geworden und die Tochter vom Hause sein muß. Und wenn sie was sagt, so muß es gelten, und wenn's auch der Joost wär, und muß gelten ohne Streit und Widerrede. Denn viele Köche verderben den Brei. Wobei mir die Küch in den Sinn kommt, die doch immer die Hauptsache bleibt. Und da bleibst du, da hat dir keiner dreinzureden, keiner, auch die Hilde nicht. Und ich werd es ihr ernsthaft sagen und ihr anbefehlen, daß alles beim alten bleibt... Du verstehst?«
    »O wohl, ich versteh.«
    »Und das war es, Grissel, was ich dir sagen wollte. Vor allem aber denk ich, wir bleiben gute Freunde. Nicht wahr...? Und was hast du denn für heut abend?«
    »Ich dacht, 'nen Schlei.«
    »Ei, das ist gut! Aber mit Dill, wie du's immer machst. Und nicht blau geschreckt, wie die Hilde neulich. Aufgepaßt, sag ich, und laß dir nicht dreinreden! Es bleibt alles, wie's ist, und das Küchel soll nicht klüger sein als die Henne.«
     
Siebentes Kapitel
     
Hilde flicht eine Girlande
    Beim Abendessen zeigte sich Baltzer auffallend gesprächig, wie wenn er etwas gutmachen wolle; Grissel aber sagte kein Wort und verblieb auch in ihrem Schweigen, als sie mit Hilden in die Kammer hinaufgestiegen war. Es fiel indessen nicht auf – sie hatte Launen –, und erst am anderen Morgen, als es an ein Um- und Einrichten ging und der Heidereiter die Treppe hinaufrief: »Ja, Hilde, du sollst nun allein sein!«, wußte diese, was es mit der Grissel und deren Schweigsamkeit auf sich habe. Der ganze Hergang erfüllte sie mit einem Zwiespalt. Aus ihr selber heraus würd ihr der

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