Ellernklipp
daß er mein still Gebet erhöret hat.‹ Und sie lud ihn neben sich, und alle sahen nun, daß es der Herzog war, und jeder gedachte der alten Zeit; aber des falschen Bräutigams, um dessentwillen die Hochzeitstafel angerichtet worden, gedachte keiner mehr.«
Da jubelte Hilde, daß es so gut gekommen, und Melcher Harms freute sich ihres Frohsinns und schloß: »Und ein fromm und herrlich Regiment begann all umher und konnte nicht anders sein in seiner Nähe. Denn er war, wie Fürsten sein sollen: treu und tapfer und gnädig und gerecht. Und hatte den Glauben. Und als er siebzig alt war, da ließ er sein Gemahl rufen und sagte: ›Meines Lebens Leben ist nicht lange mehr, und ich befehle nun Leib und Seele Christo Jesu, meinem lieben Herrn. Der wolle mein pflegen in Ewigkeit.‹ Und so starb er, und das Land ging in Trauer, und in Trauer ging Mechthilde, sein Gemahl. Aber der Löwe legte sich auf seines Herrn Grab und nahm nicht Speise noch Trank. Und so lag er und regte sich nicht, bis auch er gestorben war.«
»Und das ist da, wo noch heute der Löwe steht. Weißt du, Martin?« Und Hilde dankte dem Alten und sah nach dem Schloß hinüber, das eben jetzt im vollen Scheine der Nachmittagssonne dalag. Ein Habicht schwebte still und mit ausgebreitetem Flügelpaar darüber und schoß endlich in den finsteren Eichenwald nieder, der den alten Giebelbau drüben in seinen Armen hielt.
Und alle drei sahen's und hingen ihren Gedanken nach und hörten nichts als das nahe und ferne Herdengeläut und dann und wann das Echo, wenn ein Schuß in den Bergen fiel.
Am stillsten aber war der Alte geworden, und Hilde, die gern wissen wollte, was es sei, sagte: »Geh vorauf, Martin.«
»Ihr wollt wieder allein sein«, lachte dieser. »Aber wie du willst. Nur verplaudere dich nicht und bleib nicht zu lang. Um die sechste Stunde will der Vater wieder dasein. Du weißt, er hat es nicht gern, wenn wer fehlt. Und nun gar heut.«
Und damit lief er schräg über die Berglehne fort und auf die lange Buchenhecke zu, die zu des Heidereiters Hause herniederführte.
Beide sahen ihm eine Weile nach. Dann sagte Hilde: »Ihr habt etwas, Vater Harms. Und es ist was mit dem Martin. Ich weiß wohl, Ihr seht alles und habt nichts Gutes gesehen. Sagt mir, was es ist.«
Er schwieg und schien unschlüssig in sich abzuwägen. Endlich nahm er Hildens Hand und sagte: »Ja, du hast recht, es ist was mit dem Martin... Er hat auf dem Heidenstein gelegen.«
»Oh, das hab ich auch.«
»Es ist ein Opferstein. Und sie sagen: wer darauf schläft, den opfern die finsteren Mächte.«
»Ja, wer darauf
schläft
!«
»Aber ich denke, Kind, ich hab es weggebetet.«
»Könnt Ihr das, Vater Harms?«
»Nicht immer. Aber oft. Das Gebet kann viel, und du wirst es noch erfahren. Aber erfahr es nicht zu früh, Hilde. Denn ich muß es dir noch einmal sagen, wir beten erst, wenn wir im Unglück sind. Und ich wünsche dir glückliche Tage. Ja, Kind, auch
irdisch
Glück ist süß.«
Über Hilden ergoß es sich blutrot, und es war ihr, als hab er in ihrem Herzen gelesen. »Ich muß mich nun eilen«, sagte sie, während sie sich rasch erhob und, ohne sich um die leergebliebene Kufe zu kümmern, über die Wiese hin bergab lief, immer in derselben Richtung, die Martin vor ihr genommen hatte.
Der alte Melcher aber war nur noch ernster und nachdenklicher geworden und redete halblaut und in abgerissenen Sätzen vor sich hin: »Ich werd es
nicht
wegbeten, und keiner wird es. Ihr Blut ist ihr Los, und den Jungen reißt sie mit hinein. Es geschieht, was muß, und die Wunder, die wir sehen, sind keine Wunder... Ewig und unwandelbar ist das Gesetz.«
Neuntes Kapitel
Des Heidereiters Geburtstagabend
Es war eine Stunde später, und Martin und Hilde sahen von der Vorlaube her, unter der sie Platz genommen hatten, immer den Weg hinauf, auf dem der Vater zurückkommen mußte. Dabei traf ihr Blick, sie mochten wollen oder nicht, auch auf den halb in einer Brombeerhecke versteckten Backofen, vor dem Grissel emsig beschäftigt war und den eisernen Vorsetzer abwechselnd auf- und zuschob. Jetzt aber schien sie zufrieden mit dem Befund und zog auf einer breiten Holzschippe die Bleche heraus, auf denen sie die Geburtstagskuchen für den Abend gebacken hatte, einen Streusel- und einen Kronsbeerkuchen, welchen letzteren der Heidereiter allem anderen vorzog. Aber der Rand mußte braun sein und am liebsten halb verbrannt. Eine Luftwelle trug den brenzlig-würzigen Duft herüber, und Martin
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