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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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weil die richtige Musik mit zu Felde war –, und es immer so wirbelte durch ganz Emmerode hin, an dem Kirchhof und dem Stachelginster vorbei, bis an die Kirche, die schwarz ausgeschlagen war, und brannten alle Lichter, aber keine Gesangbuchsnummer an der Tafel und bloß die Orgel spielte – da war es dem Alten doch zuviel, und er hat's nicht lange mehr gemacht. Aber das sag ich euch, das war ein Mann, der hätte das nicht geduldet mit dem Kamm-Melcher und mit dem Katholischtun, und hatte für jeden ein Herz und eine Hand, und als mein Ehrentag war mit deiner Mutter, Martin, die nun auch drüben schläft und vor Gott bestehen wird, weil sie Gott im Herzen hatte, da war er noch frisch und gut bei Weg, und ich dachte: der wird achtzig. Und eben den Tag war es, da kam auch ein Flaschenkorb mit Wein herüber und ein Zettel dran, auf dem war zu lesen: ›Für den Hochzeiter und Heidereiter‹, und darunter stand: ›Auf gute Nachbarschaft.‹ Ja, ›Auf gute Nachbarschaft‹ hatte der gute gnädige Herr geschrieben, und alles eigene Handschrift. Und von dem Wein ist
dieser
. Damals, an demselben Tage noch, hab ich den weißen Lack von der ersten Flasche geklopft und heute von dieser zweiten, und ich denke, Kinder, es soll nicht die letzte gewesen sein.«
    Und Baltzer Bocholt, der, als er so sprach, ohne Wissen und Wollen aufgestanden war, setzte sich jetzt wieder und strich sich ein Mal über das andere den vollen Bart; denn es gefiel ihm wohl, was er gesagt hatte, und in der Eitelkeit seines Herzens und in dem frohen Blick in die Zukunft, den er sich gönnte, vergaß er zum ersten Male, trotzdem er doch von ihr gesprochen und ihrer in Ehren gedacht hatte, nach dem Sofa hinzusehen, über dessen hoher Lehne das nur handgroße Pastellbild seiner Seligen hing. Es rührte von einem Halberstädter Zeichenlehrer her, der in den Ferien alles abmalte, die Gegend und die Menschen, am liebsten aber die Brautpaare. Und es war damals kurz vor der Hochzeit gewesen.
    Ja, zum ersten Male heute hatte der Heidereiter
nicht
nach dem Bilde hinübergesehen; aber er sprach noch vielerlei von Freud und Leid und von Gutem und Schlimmem und sprach zuletzt auch von der großen Kränkung seines Lebens, davon, daß ihm die Gräfin, als es doch Zeit gewesen, den »Titul«
nicht
gegeben habe. Denn ein Heidereiter sei doch eigentlich nur was Kleines und Geringes und eigentlich bloß dazu da, Bettel- und Weibsvolk, das sich Reisig sammelt, ins Prison oder Spinnhaus zu bringen. Und das sei nichts für einen alten Soldaten und einen »Richtigen aus dem Wald«, der seine Büchse hab und immer ins Blatt träfe, Mensch oder Tier. Aber das sei's eben, das hab ihn um die Reputation gebracht, daß er fester und flinker gewesen als der Maus-Bugisch, und das hab ihm die Gräfin nicht verziehen.
    Und er verbitterte sich wieder darüber und schloß endlich: »Aber das weiß ich, Kinder, lebte
der
noch, der mir diesen Wein ins Haus geschickt hat und mir immer ein gnädiger Herr war, da wär es alles anders und gäbe keinen Heidereiter mehr, und ich hätte den Titul. Und weiß es Gott, ich wollt ihm Ehre machen, und sollte keines Menschen Schad oder Schande sein.«
    Es hatte Hilden einen Stich gegeben, als des Maus-Bugisch und jenes unheimlichen Tages wieder Erwähnung geschehen war; Martin aber fühlte wie der Vater und vergaß für den Augenblick wenigstens aller eigenen Kränkung und nickte und trank ihm zu.
    Und so vergingen Stunden, und als endlich der Heidereiter, des Sprechens müde, sich in den Stuhl zurückgelehnt und seinen Meerschaum angezündet hatte, rief er Hilden zu, daß sie was singen solle, was recht Hübsches und Trauriges, so was, wie sie letzten Geburtstag mit dem Martin zusammen gesungen habe: das »vom Junker von Falkenstein«. Oder auch was anderes. Und so sangen sie denn das Lied vom »eifersüchtigen Knaben«, und Baltzer hörte so fromm und andächtig zu, als ob es aus einem Gesangbuch gewesen wär, und blies dabei seine Wolken in die Luft. Und auch Grissel schien eine Weile lang ganz Ohr; als aber die Strophe kam:
     
    Ich kann und mag nicht sitzen,
    Mag auch nicht lustig sein,
    Mein Herz ist mir betrübet,
    Feinslieb von wegen dein...,
     
    da stand sie vom Tisch auf und ging in die Küche hinaus, erst, um wieder Ordnung zu machen, und danach auch, um ihren Staat vom Boden zu holen. Denn der nächste Tag war ein Sonntag, und sie versäumte nicht gern die Kirche; so wollt es der Heidereiter, und so war sie's gewöhnt von Kindheit an.
    In

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