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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und her, und kleine Rauchsäulen stiegen auf und schlängelten sich an der Decke hin.
    Der Heidereiter war ersichtlich in bester Laune von Ilseburg zurückgekehrt und plauderte mit vielem Behagen von dem kleinen buckeligen Gerichtsschreiber, dessen Buckel nur noch von seiner Wichtigkeit übertroffen werde. Dazu bracht er auch eine Neuigkeit mit, und zwar die: daß die Preußen bald wieder einen Krieg haben würden; denn ohne Krieg könnten sie nicht sein. Und zuletzt kam er, wie gewöhnlich, auf die gnädige Gräfin, von der ein Gerede gehe, daß sie katholisch werden wolle. Darüber war nun die Grissel natürlich außer sich; aber ehe sie noch ein passend-gemäßigtes Wort der Empörung finden konnte – denn der Heidereiter hielt auf Respekt gegen die Herrschaft –, fuhr dieser in eigenem Unmut fort: »Und wer ist schuld daran? Wer anders als dieser alte Kamm-Melcher, der jeden Abend oben steckt und unserem alten Sörgel über den Kopf weg seinen Mischmasch von Weisheit und Unsinn zum besten gibt. Versteht sich, heimlich. Aber was ist heimlich bei vornehmen Leuten? Und was ist heimlich überhaupt? ›Ist auch noch so fein gesponnen, muß doch alles an die Sonnen.‹ Und ist auch ein Trost und ein Glück, daß es so ist. Denn alles Unrecht muß heraus. Und was ein rechtes Unrecht ist, das
will
auch heraus und kann die Verborgenheit nicht aushalten. Und eines Tages tritt es selber vor und sagt: hier bin ich. Ja, Kinder, so hab ich's immer gefunden, auch bei den Soldaten schon, und ich entsinne mich... Aber ich sehe wohl, ich hab es schon erzählt und bin noch nicht alt genug, um immer bloß fürs Alte zu sein und am wenigsten für alte Geschichten. Aber für
ein
Altes bin ich, und am End ihr auch – wenigstens unsere Grissel hier, denn die hat eine feine Zung und eine spitze dazu, nicht wahr? Aber das tut nichts, wenn's
hier
nur stimmt und der Katechismus in Ordnung ist und der Wandel und die gute Sitt – aber was ich sagen wollte, für
ein
Altes bin ich. Und hier ist der Schlüssel, Martin, und nun geh und hol eine von den weißgesiegelten, ohne Zettel. Bah, Zettel! Zettel hin, Zettel her! Der Zettel macht's nicht, aber was
drin
ist, das macht's. Und dafür steh ich. Also von den weißgesiegelten, Martin. Oder bringe lieber gleich zwei. Denn es wird einem wohler und wärmer ums Herz, wenn man nicht gleich mit der Angst anfängt: ›Ei, du mein Mäusle, was wird? 's is halt schon wieder vorbei.‹ Nein, nein, was es auch sei, man muß immer was Sicheres vor sich haben, und der freie, ruhige Blick in die Zukunft, das ist überhaupt das Beste vom Leben. Und nun geh, Martin. Aber sieh dich vor bei der drittletzten Stufe, die liegt nicht fest, und zerschlage mir nichts, denn ich bin abergläubisch. Und an meinem Geburtstage soll mir kein Glas in Scherben gehen. Und auch keine Flasche.«
    Martin ging und kam wieder und stellte die Flaschen auf den Tisch. Und mit einem langen Pfropfenzieher, an dessen Griff eine Bürste war, zog jetzt der Heidereiter den Kork aus der ersten Flasche, putzte die Lackkrümelchen sorgfältig weg und goß unter Schmunzeln und doch zugleich mit einer gewissen Feierlichkeit in alle vier Gläser ein. Und nun nahm er seins, hielt es gegen das Licht und freute sich, daß es wie kleine Geister darin auf- und niederstieg. »Auf ein glückliches Jahr!« Alle Gläser klangen zusammen, und alle tranken aus. Nur Hilde nicht.
    Aber darin versah sie's, und der Alte sagte: »Wer nicht austrinkt, meint es nicht gut. Und du hast bloß genippt, Hilde. Wer mein Liebling sein will, muß austrinken; werde nur nicht rot, der Martin gönnt dir's und die Grissel auch. Nicht wahr, Grissel...? Und wißt ihr, wo der Wein herstammt? Der stammt drüben vom Schloß und ist noch vom seligen Grafen, von meinem gnädigen alten Herrn, der nun auch drüben unterm Stein liegt, lange vor der Zeit. Ja, daß ich's sagen muß, lange vor der Zeit. Aber das mit dem
jungen
, das war ihm zuviel.«
    Er wollte behaglich weiterplaudern, aber er unterbrach sich plötzlich, weil ihm einfiel, daß er sich selber vorgesetzt hatte, von dem Tode des jungen Grafen und überhaupt von dem jungen Grafen in Hildes Gegenwart nie sprechen zu wollen. Als er diese jedoch völlig unbefangen bleiben und nur neugierig Augen machen sah, fuhr er auch seinerseits in wiedergewonnener Unbefangenheit fort: »Ja, das mit dem
jungen
, das war ihm zuviel. Und als ihn die Halberstädter anbrachten, immer mit Trommeln und Pfeifen – denn anderes hatten sie nicht,

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