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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sagte: »Freust du dich auf den Abend?«
    »O gewiß! So sehr ich mich freuen kann.«
    »So sehr du dich freuen kannst! Was heißt das? Du wirst dich doch freuen können. Jeder Mensch kann sich freuen.«
    »Ja«, wiederholte Hilde, »jeder Mensch kann sich freuen, und ich auch. Und wenn ich sage, so sehr ich mich freuen kann, so mein ich an
unserem
Tisch und in
unserem
Haus.«
    Als Hilde so gesprochen hatte, nahm Martin ihre Hand und seufzte: »Ja, das ist es. Und daß ich's dir nur gesteh, ich hatte dich auch recht gut verstanden. Ich wollt es nur deutlicher hören. Ach, was ist das für ein Leben! Ich möchte vergehen. Er meint es ja gut mit uns, mit mir vielleicht und mit dir gewiß... Ja, ja, Hilde, das darfst du nicht bestreiten: er zieht dich vor. Aber glaube nur ja nicht, daß es
das
ist. Nein, nein, er
soll
dich vorziehen; ich bin nicht böse darüber und gönne dir alles. Alles und dann immer noch was dazu. Nein, Hilde, das ist es nicht. Sie
sollen
dich lieben, jeder, und, versteht sich, am meisten ich... Ach, ich glaub, ich sterbe, so lieb hab ich dich.«
    Und dabei glitt er nieder und legte schluchzend den Kopf auf ihre Knie.
    Das aber gab ihr einen Schreck und eine Herzensangst, und sie bat und beschwor ihn, abzulassen und wieder aufzustehen. »Ich hätte den Tod, wenn's die Grissel säh. Ach, ich kenne sie; sie war anders sonst; aber jetzt hat sie nur spitze Reden für mich und ist hämisch und neidisch, weil ihr so gut gegen mich seid und mir alles zu Willen tut: der Vater und der alte Sörgel und der alte Melcher Harms oben. Ich bitte dich, Martin, steh auf... Sieh, sieh nur, jetzt hat sie's gesehen!«
    »Laß sie. Mir gilt es gleich. Sie
soll
es sehen.
Jeder
soll es sehen. Und er auch.«
    »Um Gottes willen, nein,
er
nicht! Ich weiß nicht, Martin, was es ist, aber er darf es nicht sehen. Ich les es ihm von der Stirn, er will es nicht. Er will, daß wir Geschwister sind, das mußt du doch auch wissen, und Bruder und Schwester ist sein drittes Wort. Und was er sonst noch will, das weiß ich nicht. Nur
das
weiß ich, daß er mich immer so ansieht, als ob ich was anderes wär und was Apartes und alles nicht gut genug für mich. Auch
du
nicht. Und letzten Erntekranz, als er uns tanzen sah, da hört ich auch so was. Und ist doch alles Torheit und Unverstand und schafft mir bloß Neid und Mißgunst. Und bedrückt mich bloß. Ja, das ist es. Ach, Martin, ich bin ihm gut, weil er gut gegen mich ist; aber ich weiß nicht, ich fürchte mich vor ihm.«
    »Und ich auch, Hilde. Ja, ja, das ist es. Aber ich
will
mich nicht länger fürchten und schäme mich meiner Furcht. Denn vor seinem Vater soll man sich nicht fürchten.«
    »Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!«
    »Ehren! wohl. Aber da liegt eben der Unterschied. Ehren soll man sie und Respekt haben. Und wenn du das zusammentust, so hast du die Ehrfurcht. Und die Ehrfurcht, die ist gut. Aber
bloß
Furcht, das ist falsch und schlecht und feig. Und ich will es nicht länger!«
    »Ich glaube wohl, daß du recht hast. Aber übereile nichts. Und jedenfalls nicht heute. Du weißt...«
    In diesem Augenblicke hörten sie das Anschlagen eines Hundes vom Dorfe her, und gleich darauf wurde der Jagdwagen zwischen den Zweigen des Weges sichtbar. Es war also höchste Zeit, abzubrechen, und beide huschten um so rascher und ängstlicher ins Haus, als sie sich nach dem eben geführten Gespräch unfähig fühlten, eine rechte Freude bei des Vaters Ankunft zu zeigen. Und so fand sich denn nur Joost ein und nahm die Leinen aus des Heidereiters Hand, während Grissel, die gerade Zucker und Zimmet über die Kuchen streute, von ihrem Backofen her aufsah und grüßte. Freilich nur mit einem flüchtigen und vertraulichen Kopfnicken, wie Dienstleute zu tun pflegen, die sich daran gewöhnt haben, auch ihren Gruß innerhalb gewisser Grenzen zu halten.
    Und nun kam der Abend, und um die siebente Stunde saß alles um den runden Tisch. Auf einem der Ständer aber standen die Kuchen und der Ziderwein, auf den hin die Grissel eine Reputation hatte, und alles war festlich und gemütlich, oder doch so gemütlich, wie's in des Heidereiters Haus und unter der Kontrolle seiner buschigen Augenbrauen überhaupt sein konnte. Der Ofen, in dem ein Reisigfeuer brannte, gab eine gelinde Wärme, während doch gleichzeitig ein Luftzug durch die Fenster kam und die Sterne mitsamt dem erleuchteten Schloß von drüben her hereinsahen. Alles war Frieden; die Lichter im Zimmer flackerten nur leise hin

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