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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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überraschen mußte als der Schmuck, den die Holzschlägerswitwe trug. In dem Kästchen aber lag alles, was diese hinterließ: ein Goldgulden, ein Spezies, ein paar kleinere Münzen und daneben zwei silberne Trauringe, die sie bei Lebzeiten getragen, aber in ihrer Sterbestunde von sich getan hatte.
    »Das ist ihr Trauring«, sagte Sörgel und legte den kleineren auf seine flache Hand. »Und
das
hier ist der von dem Rochussen. Und sind nun elf Jahre, daß sie mit ihm unten vorm Altar stand. Ihr wißt ja, wie's kam und was es war; und sollte was zugedeckt werden. Aber sie hat nicht mit den beiden Ringen wie mit einer Lüge vor ihren Gott hintreten wollen, und ist mir, als ob's eine Beichte wär und ein Bekenntnis. Und nur hoffärtig ist sie geblieben bis an ihr Ende. Denn seht nur, von dem Schlangenringe hat sie nicht lassen wollen, den trägt sie noch, auf daß jeder ihn sehe. Ja, Heidereiter, irr und verworren sind unseres Herzens Wege.«
    Der schwieg und sah vor sich hin. Sörgel aber fuhr fort:
    »Und auch
das
hier« – und er wies auf die Münzen – »erzählt mir nur, was ich schon weiß. Sie hat nie gedarbt, arm, wie sie war. Es geschah eben, was geschehen mußte, solange noch wer da war, der den Finger aufheben und sagen konnte: so und nicht anders. Aber das ist nun vorbei seit heute nacht, und die Gnädigste drüben wird sich nicht aus freien Stücken zu dem Enkelkinde bekennen wollen. Es war ihr immer ein Stachel im Fleisch. Und so haben wir von Stund an eine Waise mehr in der Gemeinde.«
    »Nicht doch«, sagte Baltzer. »Ich nehme das Kind, und es soll mit meinem Martin zusammengehen. Ja, Pastor, ich will ein Gespann haben, damit fährt sich's besser, und ist dem Jungen gut. Und lieben wird er sie schon, denn's ist ein feines Kind und hat die langen Wimpern und das helle Rothaar – dasselbe, das die drüben haben. Und wer den Toten Blumen streut, der streut sie, denk ich, auch wohl den Lebenden.«
    »Ich hoff es«, antwortete Sörgel.
    Und danach riefen sie Hilden und sagten ihr, daß sie nun Abschied nehmen müsse. Die war denn auch bereit und stutzte nicht, und nur auf der Schwelle wandte sie sich noch einmal und lief zurück, um der Toten die Hand zu streicheln. Und nun erst folgte sie den beiden Männern und trat auch ihrerseits und ohne Zeichen tieferer Bewegung ins Freie.
    Der Pastor gedachte seinen Weg wieder über Kunerts-Kamp und die Sieben-Morgen zu nehmen, genauso, wie sie gekommen waren; als ihn aber der Heidereiter bedeutet hatte, es sei näher über Diegels Mühle, schlenderten sie gemeinschaftlich an einer tiefen Grenzfurche hin, die von dem kleinen weißen Haus aus bis an den Abfall des Berges führte. Hilde ging vor ihnen her und stemmte, wie sie zu tun liebte, den rechten Arm in die Seite. Das gab ihr einen geraden Gang und machte, daß sie größer aussah, als sie war. Die beiden Männer aber folgten ihr mit den Augen, und Baltzer sagte lächelnd: »Ich werde sie zu hüten haben.«
    Eine kurze Strecke noch, und die Grenzfurche bog nach links hin um eine kahle Felswand herum, in deren Front sie sich als mannsbreite Straße fortsetzte. Die Felswand selbst aber hieß
Ellernklipp
. Ein mittelhoher Brombeerbusch wuchs hier als einzige Schutzlehne hart am Abgrund hin, und der alte Sörgel, indem er sich an dem Gezweige festhielt, sah in freudiger Bewegung in das Landschaftsbild hinein, das ihm heut, unter dem Einfluß einer besonderen Beleuchtung, als etwas Neues und Niegesehenes erschien. In den Fenstern des Schlosses stand die Vormittagssonne, weiter unten blinkte der Wetterhahn auf der Schindelspitze des Turmes, und von rechts her, unter Erlen halb verborgen, flimmerte das Schieferdach von Diegels Mühle herauf.
    »Ich muß nun da hinein«, sagte der Heidereiter und zeigte halb rückwärts auf den Wald. »Und dies ist der Weg, der nach der Mühle führt. Ehrwürden sehen den Haselbusch, und wenn Sie den haben, schlängelt sich's allmählich bergab. Aber immer rechts. Nach links hin geht's in den Elsbruch und ist steil und abschüssig, und wer fehltritt, ist kein Halten mehr. Und du, Hilde, gehst vorauf und suchst Ehrwürden die besten Stellen.«
    Und sie ging vorauf und wartete nur dann und wann, bis der Alte, den sie führen sollte, wieder heran war. In diesem aber klang es nach, was der Heidereiter in der Muthe Haus oben gesprochen hatte: »Wer den Toten Blumen streut, der streut sie, denk ich, auch wohl den Lebenden.« Und er wiederholte sich jedes Wort. »Aber ich fürchte«, fuhr er

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