Ellernklipp
vor sich hin. Grissel aber fuhr fort: »Er lacht nicht viel und sieht aus, als ob er bloß brummen und beißen könnt. Aber er ist nicht so schlimm und hat es eigentlich gern, wenn andere lachen. Lache nur und erzähl ihm viel und sei zutulich, und du wirst sehen, er läßt sich um den Finger wickeln. Und so sind alle Mannsleut, und die, die so sauertöpfisch aussehen, just am meisten. Aber das verstehst du noch nicht. Oder verstehst du's? Höre, Hilde, du siehst mir aus, als verständest du's.«
Und dabei lachte Grissel wieder, nahm sie bei der Hand und führte sie treppab in die Küche.
Hilde fand sich schnell in allem zurecht, und den dritten Tag, als Grissel eben den Tisch deckte, sagte der Heidereiter, indem er sich auf seinem Stuhle herumdrehte: »Nun, wie geht es? Ich meine mit der Hilde?«
»Wie soll es gehen! Gut geht es. Es ist ein liebes Kind, still und gehorsam.«
»Das freut mich«, sagte Baltzer, »daß ihr euch vertragt. Aber ich wußt es. Sie hat so was Feines, und ist alles anders. Meinst du nicht auch?«
»I freilich, mein ich. Die Muthe war ja eine feine Person und eigentlich über ihren Stand. Und was ihr Mann war, ich meine den Jörge Rochussen – denn er soll ja doch wirklich ihr Mann gewesen sein, und sie reden ja von zwei Trauringen, die der alte Sörgel oben in einer Schachtel gefunden und mit in die Sakristei genommen hat –, nu, der Jörge, der war ja kohlschwarz und eigentlich noch schwärzer als die Muthe, bloß nicht so kraus. Und davon, denk ich, hat unser Hildechen das rote Haar und ist so was Feines.«
»Höre, Grissel«, entgegnete der Heidereiter, »ich kenne dich und weiß, wo das hinaus soll. Aber ich sage dir, ich will davon nicht hören. Was geschehen ist, ist geschehen, und es muß nun tot sein, so tot wie die Muthe. Die hat alles mit ins Grab genommen, ich meine die Geschichte von drüben, und das Kind ist jetzt ehrlicher Leute Kind, unser Kind, und du wirst den Mund halten. Ich weiß auch, du kannst es, wenn du willst. Denn du bist eine kluge Person, eine rechte Schulmeisters- und Küsterstochter, und hörst das Gras wachsen, geradeso wie der alte Melcher Harms oben, den du nicht leiden kannst. Und warum nicht? danach frag ich nicht, das ist
deine
Sach. Aber
meine
Sach ist, daß ich kein Gerede haben will, und soll alles sauber und rein sein in meinem Haus. Und was gewesen ist, ist gewesen. Und dabei bleibt's. Hörst du?«
Grissel, während Baltzer so sprach, hatte das Tischtuch immer wieder und wieder geglättet, trotzdem es längst glatt lag, und sagte nur: »Es ist gut, sie soll nichts hören davon, und im Dorfe redet sich's tot. Aber ihr eigen Blut wird es ihr sagen. Und ich merke schon so was.«
»Unsinn.«
»Ihr müßt ihr bloß nach den Augen sehen, Baltzer, und wie sie so zufallen am hellen lichten Tag. Und ist immer müd und tut nichts; aber mit eins richtet sie sich auf und steht kerzengrad und ist, als ob ihr die Guckerchen aus dem Kopf wollten. Und dann ist es wieder vorbei. Ja, Baltzer, es wird nichts Leichtes sein mit dem Kind.«
»Und was meinst du, was geschehen soll?«
»Allerlei, mein ich. Ich meine, sie muß in die Schul und an die Arbeit. Es ist ja zum Gotterbarmen mit ihr, und kann nichts und weiß nichts, und ist wild aufgewachsen und will immer hinaus. Und wenn sie nicht hinaus will, so will sie schlafen.«
»Ich habe selber schon an Schule gedacht«, antwortete der Heidereiter. »Aber der alte Sörgel will es nicht und meint, es sei noch zu früh, und hat erst von Ostern gesprochen. Und weil ich ja gesagt habe, so muß es bleiben.«
Und es blieb so.
Ein milder Herbst war, stille warme Tage bis tief in den Oktober hinein, und das Vieh, das sonst früh in den Stall kam, wurde immer noch an des Heidereiters Hause vorübergetrieben, um oben auf den Sieben-Morgen seine Weide zu finden.
Die Kühe hatten ein gestimmtes Geläut, und Hilde, wenn sie das Läuten von ferne hörte, lief ihnen entgegen und setzte sich auf den Bankstein in der offenen Vorlaube. Der melancholische Ton der Glocken durchzitterte sie mit einer Sehnsucht weit hinaus, aber diese Sehnsucht in die Weite war ihr Glück. Und zuletzt kam der alte Melcher Harms, den sie schon von früher her kannte, wo sie noch oben auf Kunerts-Kamp zu Hause war. Er trug einen langen Leinenrock mit vielen Knöpfen, wie die Hirten zu tragen pflegen, und immer, wenn er seinen dreikrempigen Hut abnahm, sah man einen großen braunen Kamm, der sein spärliches, aber langes Haar nach hinten zu
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