Ellernklipp
in leisem Selbstgespräch fort, »sie kennt nicht gut und nicht bös, und darum hab ich sie zu dem Baltzer Bocholt gegeben. Der hat die Zucht und die Strenge, die das Träumen und das Herumfahren austreibt. Und wenn sie Gutes sieht, so wird sie Gutes tun.«
Zweites Kapitel
Hilde spielt
Hilde blieb in der Pfarre bis zum Begräbnis ihrer Mutter, am dritten Tag in aller Frühe. Man läutete nicht, und nur einige Neugierige waren gekommen, darunter auch Dienstleute vom Schloß. Und als nun der alte Sörgel das Gebet gesprochen und der Toten eine Handvoll Erde nachgeworfen hatte, nahm Baltzer Bocholt das Kind an der Hand, um es in seine neue Heimstätte hinüberzuführen. Auf dem Flur, in der Nähe der schmalen Treppe, standen alle Zugehörige des Hauses, und Baltzer, als er sie stehen sah, sagte: »Das ist gut, daß ihr da seid. Sieh, Hilde, dies ist unsere Grissel. Mit der wirst du nun zusammenleben und mußt ihr gehorchen in allen Stücken, als ob ich's selber wär. Und dies ist Joost, unser Knecht, der meint es gut. Nicht wahr, Joost? Und laß dich nur aufs Pferd von ihm setzen, aber immer nur, wenn er Zeit hat, und darfst ihn nicht stören bei seiner Arbeit. Und dies ist unser Martin; der soll nun dein Bruder sein, und ihr sollt euch liebhaben. Wollt ihr? Willst du, Hilde?«
Diese nickte, während Martin schwieg und verlegen vor sich niedersah. Baltzer aber hatte dessen nicht acht und fuhr fort: »Und nun gebt euch die Hand. So. Und jetzt einen Kuß. Und nun, Grissel, führ unser neues Kind in seine Stube hinauf und zeig ihm, wo es wohnt. Und zu Mittag sehen wir uns wieder. Punkt zwölf, auf die Minute. Hörst du! Denn ich bin ein alter Soldat und liebe Pünktlichkeit. Und nun Gott befohlen!«
Danach wandt er sich und ging aus dem Flur in die Vorlaube, während Martin in den Hof lief und Grissel und Hilde treppauf stiegen. Oben waren zwei Giebelstuben, in deren einer Grissel bis dahin allein gewohnt hatte. Die sollte sie jetzt mit Hilde teilen. Es war ein großer, weißgetünchter Raum, in dem aber so vielerlei stand, daß er wenigstens nicht kahl und kalt wirkte. Die Truhen und Schränke waren bunt gestrichen, und in der Nähe des Fensters hing eine Wanduhr, auf deren Zifferblatt ein goldgelber Hahn krähte. Der Pendel ging, ein paar große Fliegen summten, und Grissel sagte: »Sieh, Hilde, hier müssen wir uns nun vertragen. Werden wir? Ich denke doch. Du siehst mir danach aus, als ob jeder mit dir leben könnt und wärst ein gutes Kind und hättest keinen Eigenwillen. Und das ist immer das Beste, keinen eigenen Willen haben. Ich meine so für gewöhnlich, denn mancher hat einen und muß einen haben... Und dies hier ist deine Seite, dein Bett und dein Stuhl, und dieser Rechen ist für dich. Und es darf nichts umherliegen. Die Fenster aber müssen offen sein, denn es lebt sich besser in frischer Luft, und ich weiß nicht, wer sie wieder zugemacht hat. Gewiß unser Joost; der denkt immer: je stickiger, je besser, und will alles warm haben wie seinen Pferdestall.«
Und während sie so sprach, hatte sie das Fenster aufgemacht und eingekettet und winkte Hilden, an dem anderen Fenster ein gleiches zu tun. Und Hilde tat es, und ein Ausdruck von Glück überflog ihre Züge, so sehr gefiel ihr, was sie sah. Unmittelbar unter ihrem Fenster lag der Wirtschaftshof, auf dem die Tauben von einem Dachfirst zum anderen flogen; abwärts am Bach hin, in Entfernung weniger hundert Schritte, stieg der Rauch aus den Dächern des Dorfes, und immer weiter zu Tale dehnte sich das weite, flache Vorland aus und blinkte sonnenbeschienen in allen Herbstesfarben.
In all das sah Hilde hinein und sagte, während sie lang und tief aufatmete: »Hier will ich immer stehen... Ah...! Es ist so weit hier.«
»Ei nun«, lachte Grissel, »das ist gut, daß es dir gefällt. Aber du kannst hier nicht immer stehen. Ein junges Ding wie du, das ist nicht dazu da, bloß in die Welt zu gucken und zu warten, bis das Glück kommt oder der Bräutigam, was eigentlich ein und dasselbe ist. So wenigstens glauben sie. Nein, mein Hildechen, ein junges Ding muß arbeiten; denn bei der Arbeit vergehen einem die dummen Gedanken, und der Böse kann nicht herein, der immer vor der Tür steht... Und nun komm und laß uns in die Küche gehen, daß wir ein Feuer machen und ihm ein Frühstück bringen.«
»Muß
ich es ihm bringen?«
»Ja. Da wird er sich freuen. Denn er hat dich gern, und du gefällst ihm. Oder fürchtest du dich vor ihm?«
Sie schwieg und sah
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