Ellernklipp
Sieben-Morgen waren, trat einer von den Büdnern an den wie gewöhnlich auf seiner Graswalze sitzenden Melcher Harms heran und sagte: »Du seihst joa allens, Kamm-Melcher... Hest em denn nich siehn?« Und der Angeredete strickte weiter und antwortete, während er mit halbem Blicke den Heidereiter streifte:
»Woll. Ick hebb em siehn. Gistern, as de Sünn eb'n unner wihr. Ihrst upp Kunerts-Kamp un denn upp
Ellernklipp
to.«
»Kommt, kommt!« unterbrach Baltzer, dem das Wort Ellernklipp unheimlich zu hören war. Und er führte den Trupp über die Stelle weg, wo der Muthe Rochussen ihr Haus gestanden, und ging erst bis in die Tiefe des Waldes und zuletzt auf einem weiten Umweg um Diegels Mühle und das Elsbruch herum. Und war keiner, der sich gemeldet oder aus freiem Antriebe da hineingewollt hätte, denn es war eine verrufene Stelle. Gegen Mittag aber waren alle wieder zu Haus, und im Dorfe hieß es: er sei weg und zu den Preußen gegangen. Und sei nicht zu verwundern. Der Baltzer sei zu streng gewesen und wiß es auch. Aber er wolle es nicht zeigen und zwinge sich.
Und so verging der Tag, und auch in des Heidereiters Hause hieß es: er ist weg und zu den Preußen gegangen.
Und der Alte widersprach nicht.
Als aber der Abend nahte, kam es ihm doch in die Seele, daß er hin und ihn einscharren müsse. Sonst habe der Tote keine Ruhe. Da, wo die Binsen um den kleinen Teich stehen, da mußt er liegen oder doch nicht weit davon. Der Boden war da freilich moorig, aber mitten im Moor waren kleine Sandhügel, und auf einem dieser Sandhügel wollt er ihn begraben. Und heute noch. Gleich.
Er nahm eine Jagdtasche vom Rechen und ging, als er sich vergewissert hatte, daß Joost ins Dorf gegangen war, über den Hof in die Geschirr- und Häckselkammer, in deren einer Ecke allerlei Feld- und Gartengeräte: Sensen und Harken und Spaten, bunt durcheinander standen. Er suchte darin umher, und als er endlich einen ihm passenden Spaten gefunden hatte, stieß er mit einem kräftigen Stoße das Eisen unten ab und verbarg es in seiner Jagdtasche. Gleich danach aber ging er in seine Stube zurück und wählte sich unter seinen Stöcken einen aus, dem er's ansah, daß er als Stiel in das Spatenöhr passen würde. Und nun hing er sein Gewehr über die Schulter, von dem er nicht gern ließ, und machte sich auf den Weg.
Immer am Bach hin. Aber der Mond oben ließ nicht ab von ihm, und auch wo das Buschwerk am dichtesten war, fielen Lichter und Schatten ein, über die sein eigener sich fortbewegte. Mitunter sprang ein Eichkätzchen von einem Baum auf den anderen, und er fuhr zusammen, wenn er das Knicken der Zweige hörte. Jetzt aber zogen dünne Nebel zwischen den Bäumen hin, und er wußte nun, daß er das Bruch unmittelbar vor sich habe. Und wirklich, nur ein paar Schritte noch, so blinkte von rechts her die weiße Wand von Ellernklipp herüber. Die weiße Wand und ihr zu Häupten die dunkle Tanne. Da drunter war es. Und er nahm nun das Spateneisen aus seiner Tasche heraus und steckte den Stock ins Öhr. Aber das Öhr war zu weit, und er wußte nicht, was tun. In seiner Hast und Verwirrung riß er endlich ein Stück aus seinem Sacktuch heraus und wickelte den Fetzen um den Stock herum, bis dieser fest saß. Und nun wollt er weiter. Aber er stand wie angewurzelt. »Ich kann's nicht... Und wozu auch? 's ist Moorgrund, und der gibt nach, und eines Tages hat er sich selber begraben. Sie werden ihn nicht finden. .. Und wenn doch, so heißt es, er ist verunglückt; ausgeglitten. Und war es nicht so? Oder wer hat es anders gesehen? Einer!« Und er sah in den Mond hinauf. »Aber der plaudert nicht.«
Und er zog das Spateneisen wieder ab, tat's in die Jagdtasche und ging heim.
Als er über den Hof kam, sah er, daß die Geschirrkammer offenstand und Joost ärgerlich und brummend in ihr umhersuchte: »Wihr man nu wedder hier mang west is! Diß oll Diebstüg. Un man blot dat Isen.
Dat
hebben s' mitnoahmen, un de oll höltern Krück hebben s' mi stoahn loaten.«
Baltzer tat, als höre er nicht, und ging in seine Stube. Hier hing er die Tasche, statt an den Rechen draußen, in seinen Schrank und schloß zu. Den anderen Tag aber wollt er das Spateneisen wieder an seinen Platz bringen.
Und nun ging er auf und ab und malte sich Bilder über Bilder in die Zukunft hinein. Aber er dachte auch jetzt noch ein gut Teil weniger an seine Tat als an sein eigen Elend. Es war ihm unerträglich, daß er nicht mehr geradeaus sehen und immer nur schweigen und horchen
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