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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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setzten sich draußen an den Herd, um sich in Möglichkeiten zu erschöpfen, wo der Martin geblieben sein könne.
    »Der Alte läßt ihm zuwenig freie Hand«, sagte Grissel, »und das ärgert ihn, und er will's ihm zeigen. Und hat auch recht. Ich wett, er hat Gesellschaft gefunden und ist unten im Dorf. Es wird noch manchen scharfen Tanz geben. Aber er setzt es durch, und muß auch so sein.«
    Und damit trennten sie sich, und Hilde ging hinauf und hielt oben an der Treppe.
    Die Tür zu Martins Kammer stand weit offen, und sie sah, wie der Vollmond ins Fenster schien, ernster und größer als sonst, als such er wen. Oder als woll er etwas sagen.
    Und von einer unendlichen Angst ergriffen, wandte sie sich ab und lief in ihre Stube hinüber.
     
    Baltzer Bocholt atmete tief auf, als er allein war. Er hatte sich bezwungen, ein paarmal unter Daransetzung seiner ganzen Kraft; nun endlich war er's los und konnte sich gehen lassen, ohne Furcht, durch eine Miene das Geschehene zu verraten. Er schritt auf und ab und fühlte von Minute zu Minute, wie's ihm freier und wohler um die Brust wurde. Doch mit eins überfiel's ihn wieder, und die Möglichkeit sah ihm starr ins Gesicht: er sei
nicht
tot und könne wiederkommen. Und könne die Hand gegen ihn erheben zur Anklage vor Gott und Menschen... Und dann wieder sah er ihn in seinem Elend daliegen, nicht lebend und nicht tot, und ein Schauder natürlichen Mitgefühls ergriff ihn, nicht mit dem Sohn, aber mit der leidenden Kreatur. Und es war ihm, als pack ihn wer und woll ihn würgen, und zuletzt trat er ans Fenster und sah in die Nacht hinaus und horchte, ob wer käme oder ob sie wen brächten. Aber es kam keiner, und sie brachten keinen, und er hörte nur jedes Blatt, das vom Baume fiel, und weit aus der Ferne her das Stampfen und Klappern von Diegels Mühle. Dort lag er, aber noch diesseits, in dem vorderen Elsbruch, und indem er so hin starrte, ward ihm zu Sinn, als sähe er jeden Stamm und dazwischen die Wasserlachen. Und in jeder einzelnen spiegelte sich der Mond. Und weil er des Bildes los sein wollte, wandt er sich ab und lenkte den Blick der anderen Seite zu. Da lag das Dorf und der Sternenhimmel darüber. Und als er hinaufsah in den ewigen Frieden, siehe, da war es ihm, als stiege der Engel des Friedens hernieder und segne jedes Haus. Und nun kam er das Tal herauf, in Mittelhöhe schwebend; aber als er sich
seinem
Hause näherte, wich er aus und stieg höher und höher, bis er hoch über dem Elsbruche stand. Bis in die Sterne hinein. Und nun erst senkte sich der Engel wieder, immer tiefer, bis er zuletzt in den Wipfeln der Bäume schwand. Was wollt er da? Zu
wem
kam er...? Er wußt es wohl... jetzt losch das Leben aus.
    Und danach trat der Alte vom Fenster zurück und warf sich halb ausgekleidet aufs Bett und war beruhigt und gequält zugleich und seufzte und stöhnte, bis gegen Morgen der Schlaf kam.
    Er schlief noch, als Joost an die halb offene Tür des Alkovens trat und hineinsah. »Wi em siene Bost geiht; ümmer upp un dahl. ..« Und er stahl sich wieder fort, um ihn noch weiter schlafen zu lassen.
    Eine Stunde später aber trafen sich alle bei der Morgensuppe. Der Heidereiter hatte seine Ruhe wieder und aß und trank, und da weder Grissel noch Hilde das Wort nahmen, begann er nach einer Weile: »Länger geht's nicht; wir müssen ihn suchen gehen. Aber
wo

    Da warf sich Hilde vor ihm nieder und bekannte, zitternd vor Schuld und Reue, sie hätten sich oben auf Kunerts-Kamp gesehen, keine hundert Schritte von ihrer Mutter Haus, und die Sonne sei gerad untergegangen. Und da hätten sie gesessen und gesprochen und immer das Läuten von des alten Melchers Herde gehört. Und als es gedunkelt, hätten sie sich getrennt. Und sie habe sich nicht geängstigt, weil sie von den Sieben-Morgen her immer noch die Herde gehört habe. Martin aber sei durch den Wald gegangen und auf Diegels Mühle zu.
    »Wohl, wohl«, sagte der Alte, der ruhiger blieb, als Hilde gefürchtet. »Also durch den Wald und auf Diegels Mühle zu. Das ist recht. Da geht er immer, und da müssen wir ihn suchen.«
    Und er wandte sich ins Dorf, um erst mit dem Schulzen und gleich danach auch mit dem Gerichtsboten zu sprechen, und keine halbe Stunde, so waren alt und jung auf den Beinen, um nach des Heidereiters Martin zu suchen. Denn alle hatten ihn gern und tadelten den Alten, daß er ihn zu streng in der Zucht habe. Das wußt auch der Heidereiter. Und als sie nun die Berglehne hinauf und bis oben an die

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