Elsas Küche: Roman (German Edition)
Eine Liebesaffäre mit diesen Männern war undenkbar. Elsa missfiel die Sorte Männer, die bei ihr vorsprachen, schlicht und einfach. Sie war ihrer überdrüssig. Sie war den lispelnden Professor der Geisteswissenschaften leid und sein thtändigeth Verlangen nach Thauthe hollondaith . Und den Postinspektor, der sie immer, wenn er ins Restaurant geschlurft kam, herausfordernd anlächelte. Leid war sie vor allem den Polizisten mit dem Motorrad, der seinen Helm nie auszog, starke Schwitzflecken unter den Achseln hatte und seine Waffe immer so auf den Tisch legte, dass sie auf die anderen Gäste gerichtet war – als wäre er der Hauptdarsteller in einem alten, längst vergessenen Kriegsfilm. Und das waren wohlgemerkt nur die Männer, die aufzuzählen sich lohnte! Alle anderen war sie genauso leid. Sie wollte einen anderen Männertyp. Kultivierte Männer. Männer mit Macht.
Dass diese zweitklassigen Männer offenbar an sie gebunden waren, linderte ihr Leid keineswegs. Sie wusste, dasssie selbst daran schuld war, weil sie sie ermutigend angelächelt und verhalten geneckt hatte, ihren Appetit befriedigt und ihre schwellenden Bäuche mit ihren Speisen gefüllt hatte. Doch das gehörte zum Geschäft. Schließlich war sie die Chefköchin, und das Restaurant gehörte ihr. Um gleich nach dem Zusammenbruch des Sozialismus ein Restaurant zu eröffnen und es ein Jahrzehnt führen zu können, musste sie aufs Energischste um Sympathien buhlen. Dies hatte unter anderem ihren Exmann vertrieben. Doch im Zeitalter des Turbokapitalismus und des Millenniumwahns musste sie irgendwie zurechtkommen. Sie konnte nichts dafür, dass sie genau verstand, wie wichtig ansteckende Begeisterung und simulierte Einfühlung waren und dass sie beides meisterhaft beherrschte.
Einfühlung!
Von welcher Art die Einfühlung der Dame Elsa war, sei hier näher betrachtet ...
Elsas Einfühlung war krankhaft: Sie überschwemmte ihre Gäste mit Aperitifs und Gefühlsduselei. Sie begrub sie unter Bergen von dicken Brotscheiben und Begeisterung. Sie war denen, die etwas zählten, völlig zu Diensten. Seit nun schon mehr als zehn Jahren. Immer lächelnd. Immer Blicke werfend oder mit den Händen wedelnd, als sei sie in einer Zaubervorstellung. Aber wie es nun einmal im Leben ist, gab es Risiken, und das Berufsrisiko, nur zweitklassigen Männern zu begegnen, gehörte dazu.
Dennoch war nichts von alledem ein Problem. Es gehörte schlicht zu ihrem Alltag. Aber heute beim Aufwachen war es ihr, als habe sie etwas verloren – als sei ihr Leben vorbei und als sei alles Zweitklassige, an dem sie bisher festgehalten hatte, das Ende der Geschichte, nach dem nichts Besseres kam.
Später am Vormittag stand sie neben ihrem jungen Mann – ihrem Küchenchef und Angestellten –, stand mit ihm in der Kühlkammer ihres Restaurants, prüfte die Vorräte und füllte sie auf. Sie war perfekt geschminkt und trug einen Anhänger aus Muranoglas und ein dazu passendes Armband sowie einen maßgeschneiderten Hosenanzug und eine Seidenbluse mit tiefem Ausschnitt. Um sich besser zu fühlen, hatte sie sich zu fein angezogen. Der Küchenchef hatte lediglich gefragt: »Warum takelst du dich für die Inventur so auf?«
Sie versuchte sich wegzudrehen, damit der junge Mann nicht sah, wie verletzlich sie war. Sie wusste, dass sie im Kühlraum überflüssig war. Sie zählte die Eier falsch und musste neu anfangen. Was war nur los mit ihr? Sie wusste es nicht.
Sie blickte zu ihrem Küchenchef hoch und sah sich sein wohlproportioniertes Gesicht an. Sie betrachtete die Muskelstränge seiner Unterarme, während er große Büchsen auf die Regale über ihren Köpfen hievte. Eigentlich hätte sie davon Herzklopfen bekommen müssen, doch sie fühlte rein gar nichts. Der Küchenchef schlug die Augen nieder, und ihre Blicke trafen sich. Seine Pupillen weiteten sich.
Er lächelte. Sie erwiderte sein Lächeln nicht. Den Mund leicht geöffnet beugte er sich vor.
»Nicht bei der Arbeit«, fuhr sie ihn an, wandte sich ab und ließ ein Ei fallen. Das Eigelb glitt über die anderen Eier, und einen Augenblick lang dachte Elsa an Sonnenuntergänge. Ganz kurz bewahrte die gelbe Sonne ihre Form, dann zerplatzte sie und zerfloss zu einer glitschigen Sudelei. Es war schon das dritte Ei, das sie hatte fallen lassen. Frustriert wedelte sie mit der einen Hand und stieß mit der anderen den Eierkarton weg.
Der junge Mann lachte, packte sie und zog sie an sich. Mit der anderen Hand drückte er ihr Kinn geschickt zu
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