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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Klappmessers auf ihr gesundes Auge. »Fang endlich an zu reden, Klappergestell«, fauchte er Stacy an, »oder Coopers Zustand wechselt von halb zu voll blind.«
    Brent schien den Moment, sich in die Debatte einzumischen, endlich für gekommen zu halten.
    »Es war nicht ihre Schuld …«, begann er.
    »Halt die Schnauze, du dämliche kleine Schwuchtel!«, brüllte McCann und drohte mit dem Messer in Brents Richtung.
    Augenblicklich klappte Brent den Mund zu, und das Messer richtete sich wieder auf Coopers Auge. Die Atemnot, die ihr McCanns Umklammerung verursachte, ließ ihre Knie allmählich weich werden.
    »Und jetzt du«, sagte McCann zu Stacy.
    Sie schluckte schwer. Die Tränen ließen ihre Mascara zerlaufen, die schwarze Streifen über ihre blass geschminkten Wangen zog. Auf einmal öffnete sich ihr Mund, und Worte purzelten heraus. Von ständigen Schluchzern unterbrochen schilderte sie, was sich im Wald zugetragen und welche Rolle sie dabei gespielt hatte. Als Cooper das Bewusstsein verloren hatte, hatte der Malach zu Brents und Stacys Erstaunen von ihr abgelassen und war im Wald verschwunden, einfach so. Eine unerbittliche Tötungsmaschine auf dem Rückzug. Es hatte eine Weile gedauert, bis die beiden ihre Fassung zurückgewonnen hatten. Kurz darauf war Cooper wieder zu sich gekommen.
    »Soso«, murmelte McCann bedächtig. Sein Griff um Coopers Hals lockerte sich, und die Klinge verschwand von ihrem Auge.
    Ein kräftiger Schubs ließ sie in Stacys Richtung taumeln. Sie musste sich kurz an ihrer Freundin festhalten, bis sie wieder zu Atem gekommen war.
    »Kein Malach, kein Teer.« McCann zuckte mit den Schultern, als hätte allein die Unumstößlichkeit dieser Tatsache endlich alles ins Reine gebracht. »Ich finde es erfreulich, wenn jemand den Mut findet, die Wahrheit zu gestehen, auch wenn sie noch so unangenehm ist.«
    Obwohl er die Worte in die Runde seiner Männer sprach, waren sie ganz offensichtlich an Stacy gerichtet, die ihn so verblüfft anstarrte, als habe er gerade die kommende Wiederkehr des Messias verkündet.
    »Komm her.«
    Sie zögerte.
    »Komm her.« Er winkte ungeduldig.
    Mit kleinen Tippelschritten, die Hände immer noch ineinander verschränkt wie eine betende Büßerin, bewegte sich Stacy auf ihn zu. McCann zog sie mit jovialer Geste an seine Seite und legte ihr den Arm auf die Schulter.
    »Schaut sie euch an«, rief er seinen Männern zu. »Ein schmerzlicher Moment. Eine peinliche Wahrheit, aber aus Loyalität zu ihrer Freundin Cooper hier hat sie ihr Herz erleichtert. Das verdient ein bisschen Applaus, findet ihr nicht?«
    Etwas verhalten begannen die etwa fünfzig derben Gestalten, die sie in einem Kreis umstanden, zu klatschen. Viele Gesichter waren angesichts des seltsamen Schauspiels so reglos wie das von Cooper. Dabei hatte Berechenbarkeit noch nie zu McCanns hervorstechendsten Merkmalen gehört.
    McCann lächelte, während er mit dem Messer in der Hand den Beifall seiner Männer zu dirigieren schien. Dann legte er die Klinge an seine Lippen wie einen Finger, und die »Ovation« erstarb.
    »Die Wahrheit zu wissen ist wichtig für einen Anführer. Lebenswichtig.« Er sprach die Worte in Stacys Ohr, im Flüsterton und dennoch so laut, dass ihn alle hören konnten. »Und die Wahrheit zu sagen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Dafür hast du Respekt verdient. Reich mir die Hand, tapfere kleine Vogelscheuche.« Er ließ seine Linke von ihrer Schulter gleiten, trat einen Schritt zurück und hielt sie ihr hin.
    Stacy betrachtete seine Hand wie das Kaninchen die Schlange, während sie unaufhörlich ihre eigenen Hände knetete. Hilfe suchend huschte ihr Blick zu Brent herüber, doch er zuckte nur mit den Schultern.
    Langsam, zögerlich löste Stacy die Verschränkung ihrer Finger und streckte ihm ihre Hand entgegen, die Rechte erst, dann, als sie ihren Fehler bemerkte, die Linke.
    Cooper sah, wie sich ihre Fingerspitzen den seinen näherten. Dann fiel ihr Blick wieder auf seine Rechte, die immer noch das Messer fest umschlossen hielt. Ein jäher Adrenalinstoß verwandelte das Innere ihres Mundes in Papier.
    Es geschah blitzschnell, aber in dem Zustand erhöhter Aufmerksamkeit, in dem sich Cooper befand, entrollte es sich in einer Art seltsamen Zeitlupe. Seine Linke, die Stacys Gelenk ergriff, ihre Hand mit kräftigem Schwung gegen das Plexiglas eines verödeten Schaukastens neben ihnen rammte und sie dort festhielt. Das Entsetzen in Stacys Auge. Das plötzliche Aufblitzen der Klinge.

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