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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Monumente vergangener Macht auch weitgehend verwaist sein, sie würden den Angriffen der Natur noch eine Weile beharrlich widerstehen.
    »Coop, dort!«
    Mit ihrem Blick folgte sie Brents ausgestrecktem Zeigefinger die Straße entlang. Ein gutes Stück vor ihnen, wo der schnurgerade verlaufende Asphaltstreifen hinter einer Kuppe verschwand, hob sich deutlich eine menschliche Gestalt vom grauen Taghimmel ab. Der Größe nach wohl ein ausgewachsener Mann, der irgendeinen größeren Gegenstand auf seiner rechten Schulter balancierte.
    »Lieber Herrgott!«, flüsterte Stacy hinter ihr.
    Cooper und Brent tauschten einen stummen Blick. Dann beschleunigte Brent seinen Schritt. Cooper fiel mit ein. Wer in dieser Stadt zögerte, hatte schon verloren.
    Unaufhaltsam rückte die einsame Gestalt auf der Kuppe näher. Cooper verfluchte sich innerlich für ihre Entscheidung, nicht den Weg zum Briarcliff Circle gesucht zu haben, der von McCanns Männern regelmäßig »gesäubert« wurde, aber es war zu spät.
    »Das ist ’ne verdammte Kettensäge«, zischte Brent zwischen den Zähnen hervor.
    Er hatte recht. Cooper würgte ihre Beklommenheit hinunter und winkte dem Fremden zu, als wäre dies nichts als ein planmäßiges Treffen zweier befreundeter Delegationen. Doch der Mann blieb nur auf der Kuppe stehen, die mittlerweile deutlich erkennbare Kontur der Kettensäge auf seiner Schulter.
    »Hörst du das auch?«
    Cooper nickte fast unmerklich. Sie hatte die Schritte hinter sich ebenfalls vernommen. Mehrere, schätzungsweise ein halbes Dutzend Menschen, die ihnen die Straße herauf folgten. Und irgendwie schienen auch einige der Vorstadtflachdachbungalows, die schon seit einiger Zeit in endloser Kette rechts und links an ihnen vorbeizogen, Augen zu haben.
    Urplötzlich löste sich der Mann vor ihnen aus seiner scheinbaren Erstarrung. Er hatte das, was Stacy bei anderer Gelegenheit einmal ein Rindengesicht genannt hatte. Eines, in das Jahre der Entbehrung tiefe Klüfte und Furchen gegraben hatten. Mit knappem Schwung ließ er sein »Werkzeug« von der Schulter gleiten und dann am ausgestreckten Arm baumeln.
    »Wohin des Wegs, ihr drei?«
    Unter anderen Umständen hätte man sein Lächeln vielleicht als vergnügt bezeichnen können. Aber in der gegebenen Situation konnte Cooper daran überhaupt nichts Vergnügliches finden.
    Brent neben ihr räusperte sich. »In die Stadt.«
    Es klang etwas zu tief und rau für ihn. Cooper nutzte die Gelegenheit, um einen schnellen Blick nach hinten zu riskieren. Acht weitere Gestalten. Sechs Männer, zwei Frauen, eine davon mit einem kleinen Bündel auf dem Arm. Zerlumpte Kleidung. In den Händen hielten sie Holzlatten, in die lange Nägel geschlagen waren. Schusswaffen waren selten und unerschwinglich geworden. Cooper fragte sich, ob die Kettensäge überhaupt funktionierte. Auf jeden Fall besser, es nicht auszuprobieren. Stacy, die kurz hinter ihr ging, hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Sie zitterte am ganzen Leib.
    Mittlerweile waren sie bis auf vier Schritte an den Kettensägenmann heran. Er stand mitten auf der Straße. Kurz sah sich Cooper vor ihrem geistigen Auge einfach an ihm vorbeigehen, aber das war sicherlich keine gute Idee. Sie blieb stehen. Brent tat das Gleiche, und Stacy verkroch sich so gut sie konnte hinter ihm.
    »In die Stadt?« Der Mann wandte den Kopf und sah nach hinten, dann drehte er sich wieder um, ein breites Grinsen im schmutzigen Gesicht. »Sechs Patronen.«
    »Sechs?« Cooper hörte, wie Brent nach Luft schnappte. Munition war wertvolle Mangelware und daher ein beliebtes Tauschmittel.
    »Nein, jetzt zwölf. Weil ich es zweimal sagen musste.«
    »Aber davon kann ich zwei Monate leben«, entgegnete Brent entrüstet. Mangelnde Courage konnte man ihm wahrlich nicht vorwerfen.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ihr könnt auch sie dalassen.« Er zeigte mit der freien Hand auf Stacy. »Frauen sind hier selten, und John«, ein Nicken in Richtung seiner Kumpane, »fühlt sich ein bisschen einsam in letzter Zeit.«
    Die anderen Männer lachten. Aus den Augenwinkeln konnte Cooper sehen, wie sich Stacys Blick geradezu in den Asphalt bohrte. Ihr Atem ging stoßweise. Einmal mehr beglückwünschte sich Cooper zu ihrer eigenen offensichtlich etwas unscheinbareren Weiblichkeit. Stacy hingegen sah selbst in dem wenig kleidsamen Tarnoverall mit ihren übergroßen Augen und ihren Feenlöckchen noch aus wie eine Ballprinzessin im falschen Film.
    Ohne allzu viel Hoffnung beschloss

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