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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Temperaturanstieg aus den vorhandenen Werten extrapolierte, blieb ihm vielleicht eine Woche, bis der Reaktorkern die erste kritische Schwelle zur Kettenreaktion überschreiten würde. Von da an würde es dann nur noch eine Frage von Stunden sein. Eventuell konnte er diesen Verlauf verzögern, indem er den Kühlmittelverlust aus dem Brauchwasserkreislauf ausglich, aber irgendwann würde der Wasserverbrauch auch die Kapazität des institutseigenen Pumpwerks übersteigen.
    Wollte er wenigstens die Kernschmelze und damit die komplette Verseuchung des Instituts verhindern, hatte er nur eine Wahl: die sofortige und komplette Abschaltung des Reaktors und damit der einzigen Stromquelle des Instituts.
    Doch auch das bedeutete letztlich das Ende seiner Arbeit. Ein paar Stunden würden die Wasserstoffbatterien und Dieselaggregate noch Strom liefern, aber allein die Belüftungsanlage fraß eine Unmenge davon, und unweigerlich würde irgendwann das Licht ausgehen und mit ihm die gesamte andere Technik den Geist aufgeben. Selbst die Fahrstühle zur Oberfläche würden nicht mehr fahren, und die Eingänge zum Treppenhaus wären ebenfalls verschlossen, weil ihr Öffnungsmechanismus nicht mehr funktionierte. Der einzige Weg nach draußen wäre dann der Notausstieg. Er bestand aus einer fünfzig Meter langen Betonröhre, die man waagerecht an Metallsprossen hinaufklettern musste, und das in völliger Dunkelheit. Keine wirklich erhebende Vorstellung.
    Aber das Schmerzlichste war, dass das Projekt, dem er sein Leben verschrieben hatte, so oder so zu einem abrupten Ende kommen würde. Hunderte von Malachim hatte er bereits erschaffen. Doch nach seiner Vorstellung hatten es irgendwann Tausende werden sollen. Seine Hoffnung war, dass sie sich irgendwann selbst miterschaffen würden, um so den Ausstoß zu erhöhen, wofür allerdings die Konstruktion weiterer »Maschinen« notwendig war. Noch war er aber mit der Optimierung des Verfahrens selber beschäftigt.
    Der jüngste mysteriöse Zwischenfall hatte sein Vertrauen in seine Erfindung nicht wenig erschüttert. Auf den Aufnahmen war klar zu sehen, dass ein Wesen erschaffen worden war, doch sah es seltsam unkörperlich aus und war verschwunden. Seitdem hatte er einen Großteil seiner Zeit mit der Fehlersuche verbracht, doch nun kam es auf einmal zum Aufstand der Malachim. Sein Traum von einer friedlichen, sicheren Welt zerbarst vor seinen Augen.
    Er setzte seine Brille ab und massierte die Nasenwurzel. Die Luft hier unten war viel zu trocken, und er vergaß immer, seine Augentropfen zu nehmen. Wenn er so weitermachte, würde irgendwann seine Netzhaut Schaden nehmen. Das hatte ihm schon vor einer Ewigkeit einmal ein Augenarzt prophezeit.
    Allerdings fragte er sich, ob das überhaupt noch wichtig war. Er ließ den Blick durch das Labor schweifen, von dem er sich so viel eher würde verabschieden müssen, als er gedacht hatte.
    Sein Blick fiel auf einen kleinen stählernen Wandschrank. Es war der Sanitätsschrank, in dem sich eigentlich Pflaster, Verbandszeug und Ähnliches befinden sollte. Doch die ursprünglichen Nutzer dieses Raumes hatten ihn vor langer Zeit zweckentfremdet, wie er während einer Betriebsfeier erfahren hatte.
    Ob darin immer noch …?
    Er stand auf, drehte den kleinen Knauf und zog die Tür auf.
    Tatsächlich!
    Schon legten sich seine Finger um das Glas. Aber das war verantwortungslos, geradezu wahnsinnig. Und er war immer ein verantwortungsvoller Mensch gewesen. Immer.
    Eine Dreiviertelstunde später war der Pontifex nicht mehr Herr seiner Sinne. Die Temperatur des Reaktorkerns war in dieser Zeit um anderthalb Grad gestiegen.

    »Dort lang!«
    Cooper wies nach vorn, wo in einiger Entfernung der abgestorbene und völlig von Efeu überwucherte Stamm eines Baumes am Boden lag.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Brent, der ihr schnaufend folgte.
    Verärgert fuhr sie herum. »Weil ich es sehen kann. Das habe ich dir schon gesagt. Sperr halt die Ohren auf.«
    »Ach ja, dein Monsterauge!«, spottete er.
    Sie schüttelte über seine Bemerkung nur verständnislos den Kopf und stapfte weiter. Gottlob war das Unterholz an dieser Stelle nicht so dicht, sodass sie etwas schneller vorankam. Brent würde ihr schon folgen. Und tatsächlich konnte sie nach einer Weile am Geraschel hinter sich hören, wie er wieder zu ihr aufschloss.
    Anschließend bewegten sie sich minutenlang einfach schweigend durch das vormittägliche Dämmerlicht. Über ihnen flatterten Vögel unter den

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