Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
Vom Netzwerk:
bringt jetzt alles, was er bei sich hat, hierher. Lebensmittel, Wasser, irgendwelche Ausrüstung oder so. Bringt alles her und sortiert es.«
    Sofort kam Bewegung in die Kinder. Sie brachten ihre Futtersäcke zu ihm und durchsuchten ihre Hosentaschen.
    »Siehst du«, sagte Rasim. »Ich hab’s dir doch gesagt, du bist der verdammte Boss.«
    Das Herbeischaffen und Sortieren ihrer Habseligkeiten dauerte enttäuschend kurz. Ein Junge, Sohn eines Fleischers, hatte seinem Vater immerhin eine Hammelkeule aus dem Schlachtraum gestohlen. Hinzu kam ein bisschen Brot. Das war es auch schon. Ihr größtes Problem aber war Wasser. Sie hatten ganze drei Kalebassen davon. Gerade genug, um die ganze Gruppe bis zum Abend zu versorgen, wenn sie es streng rationierten. Immerhin hatte es in der letzten Nacht kurz vor dem Morgengrauen ein klein wenig geregnet, und sie waren schlau genug gewesen, die Gefäße offen stehen zu lassen, sodass sie ein wenig Wasser aufgefangen hatten. Aber wenn nicht bald ein richtiger Guss vom Himmel kam, würden sie schon ab dem nächsten Tag Durst leiden müssen.
    »Sieh mal da!«
    Jimmy folgte Rasims Zeigefinger zu einer Stelle außerhalb des Zauns nahe beim Waldrand, wo augenscheinlich Bewegung unter die Malachim kam. Bis dahin hatten die meisten Malachim eher teilnahmslos in der Gegend herumgelungert, fast als befänden sie sich in einer Art Dämmerzustand. Nun aber traten einige von ihnen zur Seite, so als ob sie für irgendetwas eine Art Gasse bilden wollten. Angestrengt kniff Jimmy die Augen zusammen. Die Sonne war gerade erst über die Baumwipfel gekrochen, und die Szene, die er beobachtete, spielte sich auf einem Teil der Lichtung ab, der noch im Schatten der umstehenden Bäume lag. Es dauerte eine Weile, bis er in dem Dämmerlicht Einzelheiten ausmachen konnte. Dann aber begriff er, wem die Aufmerksamkeit der Malachim galt.
    »Hol mich doch der …«, stieß Rasim atemlos aus. »Ist das nicht …?«
    »Der Pontifex!«, bestätigte Jimmy.
    Zwischen den massigen Malachim wirkte der Herrscher des Elysion mit seiner eher dürren Statur wie eine Gazelle in einer Herde Büffel. Langsam schritt er an den Malachim vorbei, bis er eine kleine Anhöhe erreichte. Auf der blieb er stehen, hob einen Arm und beschattete seine Augen mit der Hand. Er mochte wohl fünfzig Meter entfernt sein, und Jimmy war klar, wohin er blickte.
    Rasim hob die Hände zu einer obszönen Geste.
    »Lass das, du Blödmann!«, zischte ihm Jimmy zu.
    »Feigling!«, entgegnete Rasim.
    Jimmy schüttelte den Kopf. Der Typ raubte ihm den letzten Nerv mit seiner dämlichen Aufschneiderei. Er trat einen Schritt vor, um den feixenden Kerl aus seinem Blickfeld zu haben. Der Pontifex verließ gleichzeitig die Anhöhe und blieb vor dem Malach stehen, der ihm am nächsten war. Jimmy konnte sehen, wie sich der Mund des Mannes bewegte, aber er war viel zu weit entfernt, als dass Jimmy auch nur hätte erahnen können, was er sagte.
    Dann allerdings wies der Pontifex mit dem Arm in Richtung des Umspannwerkes, und damit war klar, worum sich das Gespräch drehte. Eine Weile noch redete er auf den Malach ein, aber während die Gestik des Pontifex immer hektischer wurde, verharrte der Malach seltsam ungerührt.
    »Sieh dir das an«, sagte Rasim. »Der Kerl wird immer wütender. Irgendetwas läuft da wohl gewaltig schief.«
    Diesmal mochte ihm Jimmy nicht widersprechen. Was immer der Pontifex zu dem Malach sagte, es schien nicht die gewünschte Reaktion hervorzurufen. Endlich bewegte sich das Gesicht des Malach oder vielmehr die Gesichter der Malachim, denn was immer gesagt wurde, sie sprachen es alle gleichzeitig aus. Der Anblick raubte Jimmy den Atem. Die Luft schwirrte förmlich von dem vielstimmigen Raunen dieser seltsamen Kreaturen, die sich auf einmal wie ein einziges Wesen verhielten. Angestrengt spitzte Jimmy die Ohren, aber es wollte ihm nicht gelingen, die einzelnen Worte aus diesem Chor herauszuhören.
    Eines allerdings war klar zu erkennen. Der Pontifex, der bis eben noch erregt gesprochen hatte, war verstummt. Unbewegt wie eine Statue stand er da, das Gesicht kalkweiß.
    »Was immer die ihm gerade erzählt haben, es scheint ihm nicht zu schmecken«, sagte Rasim.
    »Sieht so aus.«
    »Vielleicht haben wir ein paar neue Freunde dort draußen.«
    »Dann geh doch zu ihnen und lad sie ein«, schlug Jimmy sarkastisch vor.
    Rasim grinste ihn an, sagte aber nichts. Als sie sich wieder der Szene draußen vor dem Zaun zuwandten, war der Pontifex

Weitere Kostenlose Bücher