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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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mich in das Aben­teu­er der Mo­de­häu­ser zu stür­zen.
Mein On­kel Gas­ton möch­te mich be­reits un­ter Ku­ra­tel stel­len – oder mich
ver­hei­ra­ten.«
    Cler­fa­yt lach­te.
»Er möch­te dich in ein zwei­tes Ge­fäng­nis ste­cken, be­vor du weißt, was Frei­heit
ist?«
    »Was ist Frei­heit?«
    »Das weiß ich auch
nicht. Ich weiß nur, daß es we­der Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit noch Ziel­lo­sig­keit
ist. Man weiß leich­ter was es nicht ist, als was es ist.«
    »Wann kommst du
wie­der?« frag­te Lil­li­an.
    »In ein paar
Ta­gen.«
    »Hast du ei­ne
Ge­lieb­te in Rom?«
    »Ja«, sag­te
Cler­fa­yt.
    »Das dach­te ich
mir.«
    »Warum?«
    »Es wä­re son­der­bar,
wenn du al­lein ge­lebt hät­test. Ich ha­be auch nicht al­lein ge­lebt, als du
kamst.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt«, sag­te
Lil­li­an, »bin ich viel zu be­trun­ken von mir selbst hier un­ten, als daß ich
dar­über nach­den­ken könn­te.«
    Sie ging am nächs­ten
Nach­mit­tag zu Ba­len­cia­ga. Sie hat­te au­ßer ih­ren Sport­sa­chen nur we­ni­ge Klei­der.
Ei­ni­ge wa­ren noch nach der Mo­de aus dem Krie­ge ge­schnit­ten, an­de­re hat­te sie
von ih­rer Mut­ter be­kom­men, und sie wa­ren von ei­ner klei­nen Schnei­de­rin
um­ge­ar­bei­tet wor­den.
    Sie be­ob­ach­te­te
auf­merk­sam die Frau­en, die um sie her­umsa­ßen. Sie stu­dier­te ih­re Klei­der, und
sie forsch­te in ih­ren Ge­sich­tern nach der­sel­ben Er­war­tung, die in ihr war. Sie
fand sie nicht. Sie fand bö­se, ält­li­che Pa­pa­gei­en, die zu stark ge­schminkt
wa­ren und aus fal­ti­gen, lid­lo­sen Au­gen auf die jün­ge­ren Frau­en blick­ten, und
jun­ge Frau­en von zer­brech­li­cher Ele­ganz, de­ren skep­ti­schen Bli­cken nichts
ent­ging als die un­be­greif­li­che Fas­zi­na­ti­on ein­fa­chen Da-Seins. Da­zwi­schen saß
ein Ru­del schö­ner Ame­ri­ka­ne­rin­nen, plap­pernd, zwit­schernd und ah­nungs­los. Nur hier
und da schim­mer­te in der auf­ge­reg­ten Lee­re, wie ein sanf­tes Leucht­feu­er des
Ver­ge­hens zwi­schen Schau­fens­ter­de­ko­ra­tio­nen, ein Ge­sicht, das Ma­gie
hat­te – meis­tens ein al­tern­des – oh­ne die Pa­nik, da­für aber mit dem
sel­te­nen Zau­ber des Al­terns, der nicht wie Rost, son­dern wie Pa­ti­na auf ei­nem
ed­len Ge­fäß sei­ne Schön­heit noch er­höh­te.
    Die Pa­ra­de der
Man­ne­quins be­gann. Lil­li­an hör­te von drau­ßen den ge­dämpf­ten Lärm der Stadt
her­ein­drin­gen wie das be­hut­sa­me Trom­meln aus ei­nem mo­der­nen Ur­wald aus Stahl,
Be­ton und Ma­schi­nen. Es schi­en, als wä­ren die Man­ne­quins auf ih­ren schma­len
Ge­len­ken dar­aus her­ein­ge­weht wie künst­li­che Tie­re, lang ge­streck­te Cha­mä­le­ons,
die ih­re Klei­der wech­sel­ten wie ih­re Haut­far­ben und schwei­gend an den Stüh­len
vor­beig­lit­ten.
    Sie such­te fünf Klei­der
aus. »Wol­len Sie sie gleich pro­bie­ren?« frag­te die Ver­käu­fe­rin.
    »Kann ich das?«
    »Ja. Die­se drei
wer­den Ih­nen pas­sen; die an­de­ren sind et­was zu weit.«
    »Wann kann ich sie
ha­ben?« frag­te Lil­li­an.
    »Wann brau­chen Sie
sie?«
    »So­fort.«
    Die Ver­käu­fe­rin
lach­te. »So­fort heißt hier in drei bis vier Wo­chen – frü­he­s­tens.«
    »Ich brau­che sie
so­fort. Kann ich die Mo­del­le kau­fen, die mir pas­sen?«
    Die Ver­käu­fe­rin
schüt­tel­te den Kopf. »Nein, wir brau­chen sie je­den Tag. Aber wir wer­den tun,
was wir kön­nen. Wir sind über­häuft mit Ar­beit, Ma­de­moi­sel­le. Wenn wir der Rei­he
nach die Auf­trä­ge aus­füh­ren, wür­den Sie sechs Wo­chen war­ten müs­sen. Wol­len wir
das schwar­ze Abend­kleid jetzt pro­bie­ren?«
    Die Mo­del­le wa­ren
in ei­ne Ka­bi­ne ge­bracht wor­den, die voll von Spie­geln war. Die Schnei­de­rin kam
mit ih­nen, um Maß zu neh­men. »Sie ha­ben aus­ge­zeich­net ge­wählt, Ma­de­moi­sel­le«,
sag­te die Ver­käu­fe­rin. »Die Klei­der pas­sen zu Ih­nen, als wä­ren sie für Sie
ent­wor­fen. Mon­sieur Ba­len­cia­ga wird sich freu­en, wenn er sie an Ih­nen sieht.
Scha­de, daß er jetzt nicht hier ist.«
    »Wo ist er?« frag­te
Lil­li­an höf­lich und ge­dan­ken­los, wäh­rend sie ihr Kleid ab­streif­te.
    »In den Ber­gen.«
Die Ver­käu­fe­rin

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