Emil und die drei Zwillinge
geliehen hatte.
Unten am Strand wimmelte es, soweit man sehen konnte, von Strandkörben, Sandburgen, Fähnchen, Wimpeln und Menschen.
Manchmal liefen Wellen über den Meeresspiegel. Und Pony bemerkte: „Das sieht aus, als ob ein unsichtbarer Verkäufer auf einem unendlichen Ladentisch schillernde Seide aufrollt.“ Die vier Jungens schauten einander vielsagend an und schwie - gen. Nur der kleine Dienstag konnte sich nicht beherrschen und platzte laut heraus.
„Blöde Bande“, sagte Pony und schlug den Strandweg ein.
Emil und die Großmutter folgten ihr lächelnd. Als sie eine Weile gegangen waren, drehte sich Emil nach den Freunden um. Die standen in einiger Entfernung still und machten keine Anstalten weiterzulaufen.
„Wo bleibt ihr denn?“ rief Emil.
Sie setzten sich langsam in Bewegung. Aber schon nach ein paar Metern streikten sie von neuem. Gustav hüpfte auf einem Bein und schimpfte schrecklich.
Die Großmutter lachte. „Deine Berliner sind das Barfußlaufen nicht gewöhnt. Der Kiesweg stört sie.“ Emil lief zurück. Gustav zog ein schiefes Gesicht und knurrte:
„Mensch, das soll gesund sein ?“
Und der Professor erklärte: „Ich danke für Obst. Meine Fuß- sohlen sind doch nicht aus Rindsleder!“
„Nie wieder barfuß!“ schwor Dienstag und versuchte den nächsten Schritt. Er stieg wie ein Hahn auf den Mist.
Gustav ging vom Weg herunter und wollte im Gras weitergehen. Es war aber gar kein Gras, sondern Strandhafer. Und der schnitt ihm so in die Waden, daß er wütend „Aua!“ schrie und auf den Kies zurückkam.
Emil erklärte: „Der Strandhafer enthält viel Kieselsäure.“ Gustav sagte: „Ich hätte nie gedacht, daß Kieselsäure so spitz ist. Da kann man genau so gut zwischen Rasiermessern herumlaufen.“
Emil erzählte noch einiges vom Aufbau der Pflanzenzellen und von der Beschaffenheit der Sand- und Strandgewächse im besonderen.
Doch der Professor meinte: „Alles ganz schön und gut. Du magst zwar ein enormer Botaniker sein. Aber ich renne rasch in meine Villa zurück und hole meine Turnschuhe.“ Das tat er denn auch. Gustav und Dienstag rannten hinter ihm her.
Emil ging zu seiner Großmutter. Sie setzten sich auf eine Bank und betrachteten das Meer. An der Brücke lag gerade ein kleiner weißer Küstendampfer. Der Junge suchte Pony. Sie war schon weit voraus.
Die Großmutter schob ihre geborgte Sonnenbrille auf die faltige Stirn. „Endlich sind wir einmal eine Minute unter uns. Wie geht’s dir denn eigentlich, mein Junge? Und wie geht’s deiner Mutter?“
„Danke, danke. Ausgezeichnet.“
Die alte Frau legte den Kopf etwas schief. „Sehr gesprächig bist du nicht grade. Erzähle noch ein bißchen mehr. Na los, junger Mann!“
Er sah aufs Meer. „Aber Großmutter, das weißt du doch schon alles aus unsern Briefen! Muttchen hat viel zu tun. Aber ohne Arbeit würde ihr das Leben keinen Spaß machen. Na und ich, ich bin noch immer der Beste in der Klasse.“
„So, so“, erklärte die alte Frau. „So, so. Das klingt ja hocherfreulich.“ Dann rüttelte sie ihn liebevoll an der Schulter.
„Willst du gleich mit der Sprache herausrücken, du Halunke!
Da stimmt doch was nicht. Da stimmt doch was nicht! Emil, ich kenne doch dein Gesicht wie meine Handtasche!“
„Was soll denn nicht stimmen, Großmutter? Es ist alles in schönster Ordnung. Glaub’s nur!“
Sie stand auf und sagte: „Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“
Schließlich landeten alle miteinander im Familienbad.
Die Großmutter setzte sich in den Sand, zog die Schuhe und Strümpfe aus und ließ die Füße von der Sonne bescheinen. Außerdem behütete sie die Badetücher, die man mitgebracht hatte.
Die Jungens nahmen Pony in die Mitte, faßten einander bei den Händen und rannten mit Gebrüll in die Wellen hinein. Eine dicke Dame, die nicht weit vom Ufer im Meer saß und still vor sich hindöste, schluckte bei dieser Gelegenheit Wasser und schimpfte wie am Spieß.
Die Großmutter schürzte den Rock, ging ein paar Schritte ins Wasser und fragte höflich: „Waren Sie auch einmal jung, meine Dame?“
„Natürlich“, war die Antwort.
„Na also“, meinte die Großmutter. „Na also.“ Und ohne ausführlicher zu werden, setzte sie sich wieder in den warmen Sand und blickte fröhlich hinter den jauchzenden Kindern her. Jetzt sah man nur noch die Köpfe. Und auch die nicht immer.
Gustav schwamm am schnellsten. Und als erster kletterte er auf das große Sonnenbrett, das draußen
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