Emil und die drei Zwillinge
nickten.
„Bis morgen also!“ rief er und lief in das Zimmer, in dem sein Bruder vorher verschwunden war.
Die drei Freunde standen im Korridor, blickten sich an und mußten schließlich lachen.
Gustav schob sein Wörterbuch verächtlich in die Tasche, hakte sich bei Emil und dem Professor ein und sagte: „Da habt ihr’s.
Dazu lernt der Mensch nun fremde Sprachen!“
ACHTES KAPITEL - DER DRITTE ZWILLING TAUCHT AUF
Tags darauf regnete es Strippen. Sie blieben also zu Hause, schrieben Briefe und Ansichtskarten, spielten Schach und Halma, blickten dauernd aus dem Fenster und kamen sich wie Laubfrösche im Wetterglas vor. Glücklicherweise erschien der kleine Dienstag zu Besuch. Er hatte seines Vaters Schirm aufgespannt und stand wie ein Pilz im Garten.
Sie ließen ihn herein und schwärmten ihm von den drei Byrons und ihren Kunststücken vor. Sie berichteten ihm auch, daß Pony Hütchen ,gnädiges Fräulein‘ genannt worden war.
„Ja, ja“, sagte Dienstag. „Wir werden alt.“ Und weil Pony bei Klotilde in der Küche war und dort kochen lernte, rannten sie rasch über den Flur, rissen die Küchentür auf und riefen: „Gnädiges Fräulein, Ihr Tänzer steht draußen!“ Pony sah tatsächlich aus dem Fenster.
Da lachten die Jungen und rannten in die Veranda zurück.
Dort sagte der Professor: „Habt ihr auch einen Aufsatz über Ferienerlebnisse aufgekriegt?“
„Klar“, meinte Gustav. „Es ist jedes Jahr dasselbe. Das schönste Ferienerlebnis und das spannendste Ferienerlebnis und das interessanteste Ferienerlebnis! Man verliert nach und nach die Lust, überhaupt noch etwas zu erleben!“
„Bei dem Sauwetter könnte man den Aufsatz eigentlich schon heute schreiben“, schlug der Professor vor. „Dann sind wir ihn los.“
Emil war dafür. Aber Gustav und Dienstag waren dagegen.
Der Professor suchte zu vermitteln. „Wir könnten wenigstens mit den Vorstudien anfangen.“ Er holte ein Buch, das seinem Vater gehörte, vom Tisch und blätterte darin. „Vielleicht findet man etwas Passendes, und wenn’s ein Zitat ist.“
„Unser Deutschlehrer haßt Zitate“, sagte Gustav. „Er ist der Ansicht, wir sollten uns gefälligst selber etwas einfallen lassen, statt aus Büchern abzuschreiben. Das sei genau so verwerflich wie das Abschreiben vom Nachbarn.“ Er lachte vor sich hin.
„Ich für mein Teil schreibe übrigens lieber von meinem Nachbarn ab.“
Emil fragte den Professor, was er lese.
„Das sage ich nicht“, meinte der. „Ihr müßt raten. Hört einmal zu!“ Er setzte sich auf den Tisch und las: „Bei uns ist Gesang die erste Stufe der Bildung, alles andere schließt sich daran und wird dadurch vermittelt. Der einfachste Genuß sowie die einfachste Lehre werden bei uns durch Gesang belebt und eingeprägt, ja selbst was wir überliefern von Glaubens- und Sittenbekenntnissen, wird auf dem Wege des Gesanges mitgeteilt.“ Der Professor blickte auf. „Na, von wem ist das wohl?“
„Wahrscheinlich von dem Dirigenten eines Gesangvereins“, erklärte Gustav.
Der Professor lachte. „Falsch! Menschenskind, hast du dich aber blamiert! Es ist von Goethe!“
Dienstag sagte: „Wenn es von Goethe ist, Professor, ist es aber von von Goethe. Mit zwei von. Weil er adlig war.“
„Is ja alles halb so wichtig“, murmelte Gustav.
Der Professor las weiter. „Indem wir die Kinder üben, Töne, welche sie hervorbringen, mit Zeichen auf die Tafel schreiben zu lernen und nach Anlaß dieser Zeichen sodann in ihrer Kehle wiederzufinden, ferner den Text darunterzufügen, so üben sie zugleich Hand, Ohr und Auge und gelangen schneller zum Recht- und Schönschreiben, als man denkt. Und da dieses alles zuletzt nach reinen Maßen, nach genau bestimmten Zahlen ausgeübt und nachgebildet werden muß, so fassen sie den hohen Wert der Meß- und Rechenkunst viel geschwinder als auf jede andere Weise. Deshalb haben wir denn unter allem Denkbaren die Musik zum Element unserer Erziehung gewählt, denn von ihr laufen gleichgebahnte Wege nach allen Seiten.“
„War denn von Goethe Schuldirektor?“ fragte Dienstag erstaunt. „Ich denke, er war Minister.“
„Alles mit Gesang!“ rief Gustav außer sich. „Stellt euch einmal vor, wir müßten in der Penne Zinsrechnungen und Gleichungen mit einer Unbekannten singen! Ich kann das nicht schön finden.“
„Goethe meinte sicher nur die ersten Schuljahre“, sagte Emil.
„In den Anfängen hängen doch alle Fächer viel enger miteinander zusammen.“
Da
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