Emma und der Rebell
welliges braunes
Haar und große graue Augen und schien ungefähr so erfreut über Emmas Anblick
wie Macon über das Erscheinen einer Truppe Yankees.
»Sie müssen
Nathaniel sein«, sagte Emma freundlich.
Einen
Moment lang starrte er sie nur an. Dann, nach einem trotzigen Blick auf Cyrus,
verkündete er: »Sie werden Steven hängen, und er hat es verdient.«
»Verlaß
sofort den Tisch«, sagte Cyrus flach, ohne den Jungen dabei auch nur
anzusehen.
Nathaniel
stieß seinen Stuhl zurück und rannte aus dem Raum.
»Wirst du
mich auch vom Tisch fortschicken?« fragte Macon seinen Großvater kühl.
»Wenn es
sein muß«, erwiderte Cyrus gelassen.
Macon
versank in brütendes Schweigen, und Lucy versuchte, die Anwesenden mit
fröhlichem Geplauder abzulenken. Aber selbst für Emma, die die Frau mochte, war
es fast zu anstrengend, ihr zuzuhören.
Sie war
daher dankbar, als Cyrus die Unterhaltung auf die Familiengeschäfte lenkte.
»Unser Kapital begründet sich hauptsächlich auf Baumwolle«, erklärte er Emma,
»obwohl wir auch in der Holzindustrie Interessen haben. Und auf dem Goldmarkt.«
»Bundesgold«,
warf Macon bitter ein.
Cyrus
ignorierte ihn. »Zum Glück hatten wir bei den ersten Anzeichen, daß es Krieg
geben könnte, den größten Teil unseres Kapitals nach Europa transferiert. Im
Grunde haben wir nicht mehr als ein bißchen Unbequemlichkeit erlitten.«
»Emma
braucht neue Kleider«, mischte sich Lucy in die Unterhaltung. »Was sie
mitgebracht hat, paßt nicht hierher.«
»Aber deine
Kleider schon, vermute ich?« bemerkte Macon mit einem herablassenden Blick auf
das strenge schwarze Kleid seiner Frau.
Lucy
erblaßte und betastete nervös den blonden Knoten in ihrem Nacken. Emma war
aufgefallen, daß sie Macon nie direkt ansah. »Ihre Bedürfnisse sind völlig
andere als meine«, erwiderte sie gepreßt.
»Emma wird
alles bekommen, was sie braucht«, warf Cyrus ein, was den Wortwechsel zwischen
Macon und Lucy sofort beendete.
Das Dinner
war eine anstrengende Affäre, aber endlich, zu Emmas enormer Erleichterung, war
auch das vorbei. Sie wollte allein sein, um in Ruhe nachzudenken und vielleicht
einen Brief an Kathleen zu schreiben.
Später, als
sie am Schreibtisch in ihrem Zimmer saß, das sie bald mit Steven zu teilen
hoffte, drehte sich leise der Türknauf. Emma, die wußte, daß Lucy, Cyrus oder
Jubal angeklopft hätten, richtete sich erschrocken auf und hielt den Atem an.
Sie hegte
nicht den geringsten Zweifel, daß Macon der Besucher war, und fragte sich nur,
ob er einen Schlüssel zu diesem Raum besitzen mochte.
Wieder
drehte sich der Knauf, und diesmal klopfte es leise. »Emma«, rief eine Stimme,
aber sie klang zu jung und zu unsicher für Macon.
Leise ging
sie zur Tür. »Nathaniel?«
»Ja.«
Nach kurzem
Zögern schloß Emma auf und öffnete einen Spalt. Der Junge stand im Korridor und
sah auf eine entwaffnende Weise wie eine jüngere Version von Steven aus. »Ich
habe es nicht so gemeint, das, was ich über Steven sagte«, erklärte er
bedrückt.
Emma trat
zurück, um ihn einzulassen, obwohl sie schon im Morgenrock war und ihr Haar
offen trug. »Trotzdem scheinst du aus irgendeinem Grund sehr böse auf ihn zu
sein«, entgegnete sie. »Willst du mir nicht sagen, warum?«
Nathaniel
schluckte. »Er hätte nicht fliehen sollen, als Mary tot war. Jetzt denken alle,
er sei schuldig.«
»Nicht
alle«, sagte Emma. »Ich denke es nicht, und Cyrus und Lucy auch nicht.«
»Lucy!«
entgegnete Nathaniel respektlos. »Sie ist bloß eine Verrückte. Was macht es schon,
was sie denkt?«
»Und du«, sagte Emma betont, »bist ein sehr unhöflicher junger Mann. Ich glaube
nicht, daß ich dich mag.«
Zu ihrer
Überraschung wirkte Nathaniel gekränkt. »Niemand würde Lucy etwas glauben«,
meinte er fast trotzig. »Sie hat ein Kinderzimmer mit einer Wiege und allem
anderen, aber es ist kein Baby da. Alle wissen, daß sie nicht ganz richtig im
Kopf ist.«
»Welches
Zimmer?« fragte Emma verwundert.
»Dort unten
auf dem Korridor«, antwortete Nathaniel. »Ich würde es Ihnen ja zeigen, aber
sie hält es die meiste Zeit unter Verschluß. Sehr oft sitzt sie vor der Wiege,
schaukelt sie und singt dabei.« Er machte eine Pause und erschauerte. »Es ist
richtig unheimlich.«
Ein fast
schmerzhaftes Mitleid erwachte in Emma, und sie nahm sich vor, Lucy immer eine
treue Freundin zu sein. »Das Leben kann nicht einfach für sie sein, wenn sie
mit Macon Fairfax verheiratet ist.«
Nathaniel
befeuchtete nervös
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