Emma und der Rebell
fragte
sie.
Cyrus
lächelte. »Wenn du dich an eine Horde von Rebellen gewöhnen kannst, können wir
uns auch an dich gewöhnen. Aber mir scheint, daß Lucy recht hat. Du bist schön
wie eine Magnolienblüte, aber du brauchst dringend neue Kleider.«
Nach dieser
Ankündigung klopfte Cyrus an die Wand der Kutsche, und das elegante Gefährt
blieb stehen.
»Ja, Sir?«
fragte der Kutscher, der vom Bock gestiegen war, um durchs Fenster
hereinzuschauen.
»Wir
möchten zu dem Geschäft, bei dem Miss Lucy früher ihre Kleider bestellte«,
erklärte Cyrus.
Der Fahrer
nickte, und dann setzte sich die Kutsche wieder in Bewegung.
Bald darauf
wurden Emmas Maße genommen für Kleider und Röcke, Ballkleider und Blusen, alles
von der besten Qualität und nach der neuesten Mode. Es ist verrückt, dachte
sie, aber es würde mir nichts ausmachen, Sackleinen zu tragen, wenn ich dafür
bei Steven sein könnte ...
20
Garrick
Wright war schon in
der Internatszeit Stevens bester Freund gewesen, und das hatte sich auch nicht
während des Krieges geändert oder als Steven auf der Flucht war. Jetzt war
Garrick sein Anwalt. Doch trotz seiner Redegewandtheit und seines einwandfreien
Rufs konnte er erst nach einer vollen Woche erreichen, daß sein Klient auf
Kaution freigelassen wurde.
»Ich mußte
Richter Willoughby erst begreiflich machen, daß du wohl kaum flüchten würdest,
nachdem du freiwillig zurückgekommen bist und dein Leben riskiert hast, um
deinen guten Namen wiederherzustellen«, berichtete Garrick, als er Steven im
Gefängnis abholte. »Dann hat er es endlich eingesehen, und Cyrus hat die
Kaution gestellt.«
Steven
versuchte, seine verkrampften Schultern zu entspannen und atmete tief die
frische Luft ein. Er hatte das Gefühl, die letzten sieben Tage in einem engen
Schrank verbracht zu haben. Als er seinen Großvater mit ausgestreckter Hand aus
einer wartenden Kutsche steigen sah, lächelte er froh.
»Wo ist
Emma?« war seine erste Frage.
»Zu Hause«,
antwortete Cyrus sofort. »Ich wollte nicht, daß sie sich vielleicht vergeblich
Hoffnungen machte.«
Steven
sehnte sich so sehr nach ihr, daß er es kaum erwarten konnte, nach Fairhaven
zurückzukehren. Während Cyrus noch mit Garrick sprach, kletterte er schon in
die Kutsche.
Garrick,
ein großer blonder Mann mit grauen Augen, stieg nach ihm ein und setzte sich
mit Cyrus Steven gegenüber. »Wer könnte Mary sonst getötet haben?« fragte der
junge Anwalt, aber die Frage hatte er mehr an sich selbst gerichtet als an
seine Begleiter.
Steven warf
seinem Großvater einen kurzen Blick zu, räusperte sich und sagte: »Macon
könnte es gewesen sein. Gott weiß, daß er zu jedem Mittel greifen würde, um
mich hängen zu sehen.«
Cyrus
bewegte sich unruhig in seinem Sitz, ohne jedoch etwas zu sagen. Obwohl ihn
keine Liebe mit seinem ältesten Enkel verband, hatte der alte Mann großen
Respekt vor Familienbanden. Anscheinend weigerte er sich nicht nur, Macon
eines Mordes zu verdächtigen, sondern war nicht einmal zu der Annahme bereit,
sein Enkel könnte fähig sein, ein falsches Zeugnis abzulegen.
»Könnte er
noch ein anderes Motiv haben? Mord ist ein großes Risiko, wenn es nur darum
geht, einen anderen hereinzulegen.« Garricks Argumente waren wie immer
stichhaltig und vernünftig.
»Das müssen
wir herausfinden«, antwortete Steven grimmig. Es fiel ihm schwer, sich auf die
Unterhaltung zu konzentrieren, so wichtig sie auch für ihn war. Keine Minute
war in der letzten Woche vergangen, in der er nicht an Emma gedacht und sich
nach dem süßen Trost ihrer Anwesenheit gesehnt hatte. »Ich bin nicht
zurückgekommen, um mich hängen zu lassen«, fügte er nach einer Weile hinzu.
»Ich möchte mir ein neues Leben aufbauen – für mich und für Emma.«
»So muß es
wohl sein«, stimmte Garrick seufzend zu, »wenn du zu einem derartigen Risiko bereit
warst. Offen gestanden hätte ich dir nicht geraten zurückzukehren. Vielleicht
wäre es leichter für uns gewesen, die Angelegenheit zu regeln, solange du in
sicherer Entfernung warst.«
Als sie
Fairhaven erreichten, zögerte Steven, die Kutsche zu verlassen, und hielt
Garrick mit einem Blick zurück. Sobald Cyrus ausgestiegen und im Haus war,
sagte er rasch: »Versuch bitte herauszufinden, ob Macon irgendeine Verbindung
zu Mary unterhielt, die über ihre Beziehung zu Dirk hinausging.«
Garrick
nickte. Ein vorsichtiges Lächeln spielte um seine Lippen, als er zu dem
imposanten Haus hinüberschaute. »Ist das Emma?« fragte
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